Blockchain
Mit dezentralen und unveränderbaren Blockchain-Systemen kann man eine Bevölkerung sehr schnell mit den Grundlagen für ein Rechtssystem versorgen, ohne dass man groß Rechenzentren aufbauen müsste.
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Blockchain für die öffentliche Hand

Herr Freitag, was ist das Besondere an der Blockchain?

Andreas Freitag: Ich bin vor mehr als drei Jahren über die Technologie gestolpert und habe eigentlich nicht glauben können, was sie verspricht – nämlich diese Unveränderbarkeit von Daten. Darum habe ich begonnen mich damit zu beschäftigen und versucht, die Technologie zu verstehen.

Nach ein paar Monaten bin ich draufgekommen: „Das ist ja genial! Man kann wirklich Daten unfälschbar irgendwo für alle Parteien ablegen.“ Da sehe ich das große Potenzial der Blockchain, gerade im öffentlichen Bereich.

Auf staatlicher Ebene?

Zum Beispiel! Wieso gibt es Staaten, die reich sind, und solche, die arm sind? Das hat sehr viel mit der Rechtssicherheit und der Durchlässigkeit von Finanz- und Registersystemen zu tun. Je weniger Rechtssicherheit, desto mehr Korruption, und desto schlechter geht es den Leuten.

Stellen Sie den Korruptionsindex dem Pro-Kopf-Einkommen gegenüber. Da gibt es eine Korrelation. In Österreich oder Deutschland vergessen wir immer wieder, dass wir eigentlich unseren Behörden vertrauen müssen, damit sie diese Rechtssicherheit herstellen, denn das funktioniert bei uns gottseidank wunderbar. Aber in sehr vielen Ländern funktioniert das nicht.

Jetzt haben wir zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit eine Technologie, bei der man dieses Vertrauen nicht mehr benötigt. Mit dezentralen und unveränderbaren Blockchain-Systemen kann man eine Bevölkerung sehr schnell mit den Grundlagen für ein Rechtssystem versorgen, ohne dass man groß Rechenzentren aufbauen müsste. Potenziell können Sie innerhalb von Wochen der Bevölkerung die wichtigsten Tools in die Hand geben, mit denen sie ganze Register, wie z. B. Wahlregister abdecken können.

Das ist die Faszination, die mich treibt: die Technologie, mit der man Rechtssicherheit herstellen kann. Nicht, wie man mit Cryptocurrencies reich wird, sondern was man damit im öffentlichen Bereich machen kann. 

Welche Anwendungsfälle wären hierzulande von Relevanz?

Alle Arten, bei denen Sie die Integrität irgendwelcher Dokumente sichern wollen. Dabei wird nicht die Datei selbst, sondern nur deren Hashfunktion abgespeichert bzw. werden andere kryptographische Verfahren eingesetzt, um den Datenschutz zu gewährleisten.

Dadurch ist sichergestellt, dass kein anderer sie sieht, womit der DSGVO Genüge getan ist. Aber wenn ich Ihnen jetzt beweisen muss, dass ich beispielsweise Eigentümer eines Grundstückes bin, schicke ich Ihnen die digitale Datei des Grundbuchauszugs und Sie können es mit dem Eintrag in der Blockchain gegenprüfen.

Das kann man mit jeder beliebigen digitalen Datei durchdenken: Führerscheinen, Reisepässen, Zeugnissen, Zertifikaten, die im öffentlichen Bereich ausgestellt werden, Baugenehmigungen, Betriebsanlagengenehmigungen und so weiter. 
 
Gibt es auch schon konkrete Umsetzungen?

Ja. Die Stadt Wien hat z. B. 2016/17 ein Projekt mit Open Government Data umgesetzt. Wir haben ein ähnliches Projekt mit Nordrhein-Westfalen durchgeführt. NRW hat eine Open-Government-Data-Plattform mit mehr als 17.000 Einträgen. Diese werden jeden Tag abgezogen, auf Veränderung geprüft und der Fingerprint einer Datei in einer Blockchain abgelegt. Dazu gibt’s eine komplett unabhängige Seite, auf der man die Dateien hochladen und überprüfen kann, ob das die gleichen Dateien sind, die abgelegt wurden.

Wir haben dieses simple Beispiel gewählt, auch wenn es vielleicht nicht das sinnvollste ist, weil man da in keinen bestehenden Prozess eingreift. Aber auf diesem Projekt aufbauend, diskutieren wir jetzt auch über andere Prozesse, wie Zertifikate für Waffenbesitzkarten, weil die in Deutschland Landessache sind, Zertifikate für Sicherheitspersonal auf Flughäfen und noch einiges mehr. 

Als Berater kennen Sie die Kundenbedürfnisse, deren Kenntnisse über die Blockchain-Technologie und ihre Wünsche. Sind deren Erwartungen realistisch?

Nicht immer. Es gibt auch viel Irrglauben. Zum Beispiel, dass die Blockchain quasi Bitcoin ist und sonst nichts anderes. Oder dass sie unglaublich viel Energie verbrauchen würde, was auch wiederum nur auf die Bitcoin-Geschichte zurückzuführen ist.

Auch höre ich oft: „Mit der DSGVO können’s das alles vergessen.“ Doch Datentransparenz heißt nicht, dass jeder alles sieht. Da gibt es Architekturen, mit denen man das einfach lösen kann, denn die DSGVO muss natürlich eingehalten werden. Ich erlebe aber auch, dass die Blockchain massiv überschätzt wird und dass manche glauben, sie sei die Lösung für alles.

Und nicht selten passiert es, dass Leute kommen und sagen: „Es gibt die Blockchain – ich will unbedingt damit etwas machen“, ohne tatsächlich ein Problem zu haben. Da muss ich oft gegen mein eigenes Geschäft reden – wenn man in gewissen Bereichen überhaupt kein Betrugsproblem hat, beispielsweise. 

„Blockchain“ ist definitiv ein Buzzword. Jeder will sie einsetzen, aber es gibt Fälle, in denen sie nicht sinnvoll zu verwenden ist.

Richtig, es gibt sehr viele Anwendungsfälle, die funktionieren einfach nicht, weil die Technologie Einschränkungen hat.

Auf dem Energiesektor sind es zum Beispiel diese Prosumer-Themen, wo jeder Bürger mit seiner Solaranlage sowohl ein Produzent als auch Verbraucher ist, und wo in Echtzeit Energie gehandelt werden soll. Wenn man das auf einen Ballungszentrum wie Wien hochrechnet, merkt man ganz schnell, das funktioniert mit der zur Verfügung stehenden Technologie einfach noch nicht.

Ich frage den Kunden am Anfang immer: „Was weißt du schon über die Blockchain? Was hast du schon gehört?“ Darauf muss man Wissen aufbauen, um damit wiederum Use-Cases aufbauen zu können. Man muss jeden Case durchdenken. Ist der möglich? Und wenn ja, wie? 

Andreas Freitag
Andreas Freitag: "Sozialleistungen lassen sich mithilfe der Blockchain sehr gut verteilen und managen."

Nachdem wir schön über andere Länder und die staatliche Ebene gesprochen haben – welche Use-Cases sind für Gemeinden sinnvoll?

Auch für den kommunalen Bereich gilt: Man muss darüber nachdenken, was mühsame Abgleichs-, oder Validierungsprozesse sind. Wo hat man sehr viel Aufwand? Wo kann man mit der Technologie Prozesse sinnvoll verkürzen? 

Beispiele wären auch hier Zeugnisse, Zertifikate, Genehmigungen, Ausschreibungen oder Vergaben in Bau und Infrastruktur. Alle Arten von Registern – Stichwort Melderegisterauszug.

Auch Sozialleistungen lassen sich mithilfe der Blockchain sehr gut verteilen und managen. Dafür gibt es auch schon einen Anwendungsfall. Die Stadt Wien beschäftigt sich bei der Digitalisierung der Essensmarken für ihre Mitarbeiter, immerhin rund 20.000, mit einer Umsetzung mittels Blockchain-Technologie. Denkbar wären aber auch Sozialunterstützungen, die man z. B. nur im Supermarkt, aber nicht im Gasthaus einlösen kann, oder Kindergarten-Förderungen, die die Eltern in Form eines Tokens gleich bei der Geburt erhalten und die sie nur im Kindergarten einlösen können.

Apropos Förderungen – gerade in Österreich wird ja sehr viel gefördert, vom Bund, den Ländern und den Gemeinden. Da gibt es das Problem der Doppelförderungen. Wie vermeidet man nun, dass eine Rechnung doppelt eingereicht wird? Wir haben Ansätze erarbeitet, bei denen man die Rechnung sofort gegenprüfen kann, ohne sie auf die Blockchain zu geben. Auf der befindet sich nur ein verschleierter Hashwert. Liegt die Rechnung aber vor einem, kann man nachschauen, ob diese schon einmal eingereicht worden ist. 

Ist das für eine kleine Gemeinde realistisch umsetzbar?

Es wird keine Gemeinde alleine ein großes Projekt in Sachen Blockchain starten. Das muss schon ein paar Ebenen darüber gestartet werden. Aber möglich ist es.

Wir treten gerade in ein Konsortium mit verschiedenen Ländern ein, in denen wir eine Government-Blockchain aufbauen. Die ist dann die Infrastruktur, auf die Gemeinden Anwendungen aufbauen können. 

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