Bettina Lancaster
„Ich bin auf jeden Fall bereit dazu, meinen Anteil beizusteuern und meine Arbeitskraft einfließen zu lassen.“ Bettina Lancaster über ihre neue Rolle als Vizepräsidentin des Österreichischen Gemeindebundes
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Biologin als Ortschefin

Bettina Lancaster ist nicht nur langjährige Bürgermeisterin von Steinbach am Ziehberg, sondern auch neue Vizepräsidentin des Österreichischen Gemeindebundes.
Steinbach am Ziehberg
Bauernhöfe auf der Ziehberghöhe. Konkurrenzfähige Landwirtschaft ist in im Berg- und Hügelland kaum möglich. Foto: Isiwal - CC BY-SA 4.0

Der Bezirk Kirchdorf ist nach Gmunden der flächenmäßig zweitgrößte Bezirk Oberösterreichs und besonders dort, wo die Landschaft in die nördlichen Kalkalpen übergeht, rural geprägt. Etwa auf halber Strecke zwischen der Bezirkshauptstadt und dem Eingang zum Almtal liegt Steinbach am Ziehberg. Dünn besiedelt und landschaftlich wunderschön, markiert das Gemeindegebiet den Übergang vom verhältnismäßig flachen Norden in den gebirgigen Süden. 

Seit November 2009 lenkt Bettina Lancaster als Bürgermeisterin die Geschicke von Steinbach am Ziehberg. Erste Berührungspunkte mit der Politik hat sie um die Jahrtausendwende, als sich Lancaster bei der lebens- und familienfreundlichen Gemeinde ehrenamtlich engagiert. 2003 schließlich stellt sie sich zum ersten Mal bei der Fraktion zur Wahl. Beim ersten Antritt erreicht Lancaster 27 Prozent der Stimmen. Über ihren zweiten Antritt erzählt die 58-jährige Orts­chefin: „Weil ich ja nicht aufgebe, bin ich in die Stichwahl gegangen und hab diese erfolgreich geschlagen.“

Warum die Bürgermeisterin einen englischen Namen trägt

Den für oberösterreichische Verhältnisse untypischen Namen Lancaster trägt die Bürgermeisterin wegen ihres Mannes, der aus Großbritannien kommt. Sie selbst ist in der Gemeinde aufgewachsen: „Im  ländlichen Raum der 70er-Jahre, mit allem, was für Mädchen dort möglich oder schwierig war. Das prägt natürlich“, erinnert sie sich zurück.

Lancaster studiert an der Universität Wien Biologie mit der Spezialisierung auf Genetik und wird Projektleiterin am Studienzentrum für internationale Analysen. Die unabhängige Forschungseinrichtung befasst sich mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungsprozessen ländlicher Regionen. „Ich habe dort 21 Jahre lang gearbeitet“, berichtet Lancaster, „und es gab sehr viele Projekte, die natürlich einen politisches Nutzen hatten und bei denen man enorm Erfahrungen gesammelt  hat. Mein Spezialgebiet war Biogas. Wir haben den Fokus stark auf die landwirtschaftliche Produktion und auf erneuerbare Energien gesetzt. Das war an und für sich zwar immer schon wichtig, wurde aber damals noch nicht in dem Ausmaß wahrgenommen wie heute.“ 

Steinbach am Ziehberg
Das Gemeindeamt von Steinbach am Ziehberg ist seit 2009 Wirkungsstätte von Bettina Lancaster. Foto: Isiwal - CC BY-SA 4.0

„Auch wenn ich von der roten Seite komme“, betont Lancaster, „geht es mir ganz besonders um den Erhalt der Landwirtschaft in unseren Nichtvorteilslagen. Es ist etwas ganz anderes, im Flachland Hektar um Hektar zu bewirtschaften, im Vergleich zu unserem Alpenvorland. Hier in  den ersten Hügeln ist die Bewirtschaftung einfach schon viel schwieriger und für die Landwirte zahlt es sich einfach nicht mehr wirklich aus. Die großen Flächen kann man nicht rentabel bewirtschaften, weil sie zu arbeitsintensiv sind.“

Gewerbebetriebe oder Industrie gibt es in der rund 860 Einwohner zählenden Gemeinde kaum. Hinzu kommt die schwierige Topografie, die Steinbach am Ziehberg zu einer der strukturschwächsten Gemeinden des Bezirks macht.

„Wir sind Härteausgleichsgemeinde und leben von den Ertragsanteilen und Bedarfsmittel­zuteilungen. Dadurch sind unsere Freiheitsgrade recht gering und wir müssen sehr genau schauen, wie wir etwas planen, damit wir auch wirklich in die Umsetzung kommen, denn mit größeren Kommunaleinnahmen können wir nicht rechnen.“   

Angesichts der limitierten Möglichkeiten sind die Anstrengungen umso höher einzuschätzen, die in Steinbach unternommen werden, um ein neues, verdichtetes Ortszentrum zu schaffen. Bislang gab es einen Hauptplatz, den Kirchenplatz. Auf dem befanden sich die namensgebende Kirche und das Gemeindeamt und auf der anderen Straßenseite ein Adeg-Geschäft.

„Wir versuchen nun das ganze Talleben auf diesem Platz zusammenzuziehen.“ Ein neues Kommunalzentrum, das „Haus der Gemeinschaft“, soll das Zentrum mit einem Gemeinde-Pfarrsaal, einem Musikheim, dem Pfarrbüro, dem Bauhof und öffentlichen Toiletten aufwerten. Ende 2022 soll das neue, 2,6 Millionen Euro teure Gemeindezentrum bezugsfertig sein. „Dort wo die Pfarre früher war, kommen zwei Wohnbauten hin. Somit verdichten wir den Ortskern und bringen Leben hinein. Vielleicht wird sich damit auch wieder ein gastronomischer Betrieb etablieren“, hofft Lancaster. 

Steinbach am Ziehberg
Der Kirchplatz in Steinbach am Ziehberg wird umgestaltet und durch Wohnbauten sowie ein Kommunalzentrum verdichtet und aufgewertet. Foto: Isiwal - CC BY-SA 4.0

Ein Vorhaben, das die Bürgermeisterin schon seit ihrem Amtsantritt 2009 begleitet, ist der Ausbau bzw. der Lückenschluss des Radwegnetzes: „Das hängt leider immer wieder an Grundeigentümern, aber es ist der Zug der Zeit, dass wir das gemeinsam anpacken müssen.“ Als große Herausforderung sieht Lancaster auch „dass wir das soziale Miteinander nach der Pandemie wieder in die Wege bringen. Alle Säle, alle Gasthäuser waren zu klein. Jetzt muss man schauen, dass die Leute auch wieder fortgehen und nicht schon etwas anderes gefunden haben“, sorgt sich Lancaster um das Gemeinschaftsleben. 

Empfehlung an Ausflügler: Öffentlich anreisen

Kopfzerbrechen bereiten der Ortschefin auch die  zahlreichen Ausflügler. Man kann es ihnen nicht verdenken. Die Alpenvorlandgemeinde ist wunderschön und kann mit einigen beliebten Wanderwegen aufwarten, doch ist sie keine Tourismusgemeinde.

„Wir können für touristische Zwecke nicht noch mehr Parkplätze errichten. Wir haben schon welche, es gibt aber eine natürlich Grenze. Unsere Güterwege sind einspurig gebaut und wenn die Seitenränder und jede Ausbuchtung zugeparkt werden, schränkt man damit den Verkehr ein. Ein Traktor oder ein zweites Auto kommt dann nicht mehr vorbei. Leider fehlt Besuchern oft das Verständnis, dass man seinem Leben nachgehen können muss, auch wenn man nicht in der Freizeit hier ist.“ Die Bürgermeisterin empfiehlt daher, öffentlich anzureisen: „Es ist viel schöner, man reist mit der Almtalbahn bis nach Steinbach Brücke und bestellt sich dort das Traunstein-Taxi. Dann ist man frei und kann wandern, wie man will.“

Bundesratsabgeordnete und Vizepräsidentin

Bettina Lancaster engagiert sich allerdings nicht nur in ihrer Heimatgemeinde, sondern auch darüber hinaus. Seit 2017 ist sie Bezirksparteivorsitzende der SPÖ in Kirchdorf an der Krems und seit Februar 2019 ist Lancaster für den oberösterreichischen Landtag Bundesratsabgeordnete im Parlament.

„Ich glaube, ich habe meinen Zenit erreicht. Ich glaube, ich bin fertig“, lacht Lancaster, angesprochen darauf, dass sie jüngst auch noch zur Vizepräsidentin des Österreichischen Gemeindebundes gekürt wurde, um dann aber klarzustellen: „Ich mache meine Arbeit und wenn mich jemand fragt, ob ich für etwas zur Verfügung stehe, dann sage ich meistens ja. Meine Funktionsperiode in der Gemeinde erlaubt, dass auch die anderen Ämter damit einhergehen. Anfangs dachte ich ja, es sei nur ein Ausflug in die Politik, aber es hat sich eigentlich zu etwas Beständigem entwickelt.“

Über ihre Aufgaben als Vizepräsidentin möchte Lancaster nicht zu viel spekulieren. „Die Frage ist sehr früh. Die Wahl war gerade erst. Auch wenn man sich das vorher in der Theorie anschaut, weiß man letztendlich nicht, was das dann in der Praxis heißt. Und wie es in der Praxis abläuft, kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich bin auf jeden Fall bereit dazu, meinen Anteil beizusteuern und überall dort, wo es die Statuten zulassen, meine Arbeitskraft einfließen zu lassen. Natürlich werde ich auch meine Ansichten kundtun. Es wird aber nur zwei Sitzungen pro Jahr geben. Das ist nicht enorm viel. Das ist mit schon bewusst.“  

Debatten ist Lancaster jedenfalls gewöhnt. Nicht nur aus dem Parlament, sondern auch aus Steinbach. Dort hält ihre SPÖ vier der insgesamt 13 Gemeinderatsmandate.

„Das ist eine sehr herausfordernde Situation“, berichtet die Bürgermeisterin, „denn es kann auch vorkommen, dass man seinen Kopf für Sachen hinhalten muss, die zu einem Gutteil andere bestimmen. Es ist schwierig, manchmal umzusetzen, was wider meine Vorstellungen ist. Eigentlich fürchtet man sich vor so etwas. Genau die gleiche Kraft dafür aufzuwenden, etwas umzusetzen, das gar nicht im eigenen Sinne ist. Doch ich bin Bürgermeisterin für alle. Das sind eben die schwierigeren Aufgaben.“

Mit ihrer konstruktiven Art und ihrem Pragmatismus wird sich Lancaster für die Anliegen der Gemeinden jedenfalls ebenso leidenschaftlich ins Zeug legen wie für ihre Heimatgemeinde Steinbach am Ziehberg, die übrigens wirklich einen Besuch wert ist – und zwar, Sie wissen schon, am besten öffentlich. 

Zur Person

Bettina Lancaster

Alter: 58
Gemeinde: Steinbach am Ziehberg
Einwohnerzahl: 866 (2021)
Bürgermeister seit: November 2009
Partei: SPÖ