Gute Raumplanung sieht man nicht, man sieht nur ihre Fehler.
© Francesco Scatena - stock.adobe.com

Raumplanung

Betrachtungen zum Thema „Boden g’scheit nutzen“

Boden sparen, Bauland redimensionieren, im Bestand verdichten und Freiland erhalten– damit ist offenbar kein Staat zu machen. Im Gegenteil: Bodenverbrauch reduzieren, Bauland „rück“widmen, nachverdichten und Freiflächen sichern, das klingt in vielen Ohren geradezu bedrohlich nach einschränken, wegnehmen, zwingen, verhindern.

Argumente wie „Ja, schon, es soll nicht das ganze Land zersiedelt sein, wie schaut das denn aus?“ oder „Es wird zu viel zubetoniert, und mehr Bäume und Grünflächen wären schön, gerade jetzt mit dem Klimawandel, aber Entwicklung muss es schon auch geben, und so oft fahren wir eh nicht ins Fachmarktzentrum draußen beim Kreisverkehr“ machen die Runde, wenn es ums Bauland in den Gemeinden geht.

Überproportional viel Baufläche

In Österreich sind rund 322.000 Hektar bzw. 359,6 Quadratmeter je Einwohner*in als Bauland gewidmet. Zum Vergleich: In der Schweiz sind als Bauzonen deutlich weniger, nämlich 291 Quadratmeter je Einwohner, ausgewiesen. Bebaubarer Boden ist in den Alpentälern ein besonders knappes Gut. Dennoch ist der Anteil der gewidmeten Bauflächen am Dauersiedlungsraum gerade in den westlichen Bundesländern mit 15 bis 30 Prozent besonders hoch, während der Durchschnitt in Österreich bei knapp zehn Prozent liegt.

Neben Bauland werden Boden und Landschaft auch durch zahlreiche Sondernutzungen für Verkehrsanlagen, technische Infrastruktu­ren und Freizeit- und Tourismuseinrichtungen beansprucht. Bezirke mit großflächiger Landwirtschaft – in Nieder- und Oberösterreich, dem Burgenland und der Steiermark – weisen naturgemäß einen unterdurchschnittlichen Anteil von gewidmeten Bauflächen auf.

Aber auch diese Räume bieten nicht das Bild einer weiten Kulturlandschaft mit kompakt eingefügten Dörfern und Kleinstädten. Dort, wo vermeintlich so viel Platz ist und die Grundpreise niedrig sind, wuchern um die Ortsränder und Autobahnabfahrten Handelseinrichtungen, Logistikcenter, Gewerbehallen und große Parkplätze. Die als Bauland gewidmete Fläche ist hier in Relation zur Bevölkerungszahl besonders hoch.

Periphere Regionen mit Bevölkerungsrückgang hoffen, über die Widmung von Baugrundstücken junge Leute zu halten oder Bauwillige anzuziehen. Doch die Rechnung geht selten auf. Ein leistbares Grundstück ist nur eines der Motive bei der Wahl des Lebensmittelpunkts. Partnerschaft und Freundschaften, der Ausbildung entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten, Kultur- und Freizeitangebote, Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Wohnformen auch abseits des Einfamilienhauses und Mitwirkungsmöglichkeiten im Ort und in der Gemeinschaft spielen eine wesentliche Rolle beim Gehen, Kommen und Bleiben am Land. Dies gilt insbesondere für junge Frauen: Landflucht ist bekanntlich weiblich.

Baulandüberhang für Jahrzehnte

Die meisten österreichischen Gemeinden haben mehr Bauland gewidmet, als sie tatsächlich brauchen. Meist ist dieses Bauland jedoch für Bauwillige nicht verfügbar, es wird für die nächste Generation aufgespart oder als Geldanlage gehortet und bleibt daher ungenutzt.  Zugleich entsteht Druck von Widmungswerber, die einen realen Bedarf an Raum zum Wohnen oder Arbeiten haben bzw. von einer Baulandwidmung und der damit verbundenen Wertsteigerung profitieren wollen.

In den 1960er- und frühen 1970er-Jahren, als die ersten Raumplanungs- und Raumordnungsgesetze in Kraft traten, wurde großzügig Bauland ausgewiesen. Wachstumseuphorie und zunehmende Automobilisierung ließen die Zersiedelung durch frei stehende Einfamilienhäuser und periphere Gewerbe- und Handelsflächen voranschreiten. Noch heute sind wir mit Nachbessern, Schließen der Siedlungsränder und Nachverdichten lückiger Siedlungsgebiete gefordert. In Österreich wird fast ein Viertel der als Bauland gewidmeten Flächen nicht als solches genutzt.

Zum Vergleich: Je nach Berechnungsmethode sind in der Schweiz zwischen 11 und 17 Prozent der Bauzonen noch nicht überbaut (Quelle: Bauzonenstatistik Schweiz 2017), wobei die Berechnung für Österreich nach Schweizer Muster eine noch höhere Baulandreserve ergeben würde.

Der Baulandüberhang verursacht lange Wege, macht die Ver- und Entsorgung der Siedlungsgebiete (Müllabfuhr, Schneeräumung, soziale Dienste, Blaulichtservices, öffentlicher ­Verkehr) aufwendig und kostet die Gemeinden und deren Bewohnerinnen und Bewohner somit viel Zeit und Geld.

Zugleich bringt aufgespartes bzw. gehortetes Bauland seinen Eigentümerinnen und Eigentümern beträchtliche Renditen, ohne dass der durch die Baulandwidmung erzielte individuelle Mehrwert und die der Allgemeinheit verursachten Mehrkosten abgeglichen werden.

Im Unterschied zu Nachbarregionen in der Schweiz, in Südtirol oder in Bayern sind die rechtlichen und fachlichen Möglichkeiten von Modellen für eine Mehrwertabschöpfung bei Widmungsgewinnen in Österreich zwar in zahlreichen Studien und Empfehlungspapieren zu finden, aber nie ernsthaft auf die politische Agenda gekommen.

Zentrifugalwirkungen

Sie sind am Ortsrand, draußen am Kreisverkehr anzutreffen. Niemand findet sie schön, aber sie sind beliebt – die ausgeuferten Handelsagglomerationen, zersplitterten Gewerbezonen, Freizeittempel. Ihre großflächig versiegelten Stell- und Abstellflächen führen zu raumplanerisch problematischen Zentrifugalwirkungen. „Urbane Fragmente“ an der Peripherie räumlich zu fassen, ihr Weiterwuchern zu bändigen, die Verkehrsbelastungen zu bewältigen und der aus den Zentren abgezogenen Kaufkraft entgegenzuwirken, sind notwendige Voraussetzungen, um Wirtschaft und Leben wieder in die Orts- und Stadtkerne zu bringen. 

Jüngere Novellen der Raumordnungsgesetze (beispielsweise in Tirol, Vorarlberg und Kärnten) unterstützen beim Bremsen der Zentrifugalwirkungen. Einkaufszentren und Supermärkte sollen nur noch in Stadt- und Ortskernen oder nach dem Abbruch alter Einkaufszentren ausgewiesen und Parkplätze nicht mehr ebenerdig, sondern nur noch gestapelt oder unterirdisch zugelassen werden.

Dennoch bleibt die Nachfrage nach Flächen für „Nah“versorger an den Ortsrändern bzw. auf der „grünen Wiese“ groß. Und wieder mögen Bürgermeister*innen und Planer*innen nicht stolz die Wiese an der Ortseinfahrt präsentieren, an der keine peripheren Handelseinrichtungen angesiedelt wurden. „Gute Raumplanung sieht man nicht, man sieht nur ihre Fehler“ ist ein geflügeltes Wort in der Raumplanungscommunity.

Bauland besser nutzen

Immerhin: In den letzten zehn Jahren ist das Bauland auch in Österreich um rund zehn Quadratmeter pro Einwohner*in gesunken. Die Ursachen sind ein verlangsamter Trend von neuen Baulandwidmungen trotz gestiegener Bevölkerungszahl, verbunden mit einem besseren Ausnützen des bestehenden Baulands durch Nachverdichtung und Revitalisierung. Dennoch verliert Österreich pro Tag rund elf Hektar produktive Böden. Inner­halb von zehn Jahren wird eine Fläche in der Größe von Wien für neue Siedlungen, Verkehr, Gewerbe, Deponien, Abbauflächen, Kraftwerksanlagen, Sportanlagen etc. beansprucht. Zum Vergleich: Wenn wir die Flächeninanspruchnahme in Deutschland (Quelle: umweltbundesamt.de) auf Österreich herunterrechnen, ergibt sich ein Wert von 6,5 Hektar pro Tag.

Flächensparen braucht eine konsequente Strategie der Innenentwicklung, d. h. innerhalb des bestehenden Siedlungsraums um-, an-, auf- und dazuzubauen und zugleich mehr Grün: öffentlich nutzbare Grünflächen, klimawirksame Bäume und begrünte, wasserdurchlässige Oberflächen. Noch ist in Österreich die Entsiegelung von Parkplätzen, überbreiten ­Siedlungsstraßen oder Dorf- und Stadtplätzen die ­Ausnahme. 

Häuser gestapelt
Flächensparen braucht eine konsequente Strategie der Innenentwicklung und zugleich mehr Grün. Foto: slavun - stock.adobe.com

Erste Förderprogramme sind in manchen Bundesländern angelaufen. Für eine klimafitte Siedlungsentwicklung würde eine Renaissance und Weiterentwicklung des Bebauungsplans mit integriertem Grün(ordnungs)plan Chancen bieten, mehr Durchgrünung umzusetzen und zugleich kompakt, also flächenschonend, zu bauen. Übrigens: Schon mit der Einsparung von fünfzig Metern Erschließungsstraße durch einen klugen Bebauungsplan gegenüber einer herkömmlichen Aufschließung ist das Planungs­honorar leicht wettgemacht. 

Zusammen bauen – partizipativ und gemeinschaftlich – und Zusammenbauen – verdichtet in der Gruppe, in der Reihe oder in die Höhe und Nutzungen zu mischen – hat in den letzten Jahren auch am Land zunehmend innovative Beispiele gebracht, die mit höherer baulicher, sozialer und Freiraum-Dichte für eine neue Qualität stehen.

Bauland mobilisieren

Bodenpolitische Instru­mente zur Mobilisierung von Bauland finden sich in unterschiedlicher Ausprägung in allen jüngeren Novellen der Raumplanungs- und Raumordnungsgesetze, beispielsweise Raumordnungsverträge, befristete Widmungen, Investitionsabgaben oder vorgezogene Aufschließungs- und Erhaltungsbeiträge.

Noch viel zu selten ermutigen sich Gemeinden zu aktiver Bodenpolitik, das heißt zum Erwerb und zur Bewirtschaftung von Boden, um die Siedlungsentwicklung besser zu steuern. Im Vordergrund stehen dabei Grundstücke, die von ortsplanerischer oder städtebaulicher Bedeutung sind und dazu beitragen können, erwünschte Entwicklungen anzustoßen, nachhaltige und den Planungsabsichten der Gemeinde entsprechende Projekte zu fördern, schwierige Besitzstrukturen zu entflechten, Grundstücke neu zu ordnen und Grundeigentümer*innen Ersatzflächen anzubieten.

Aus Bauland wird Freiland

Es gibt keine Statistik über die Umwidmung von Bauland in Freiland, aber in einem Raumplaner*innenleben kommen da schon Hektare im zweistelligen Bereich zusammen. Die Flächen mögen quantitativ nicht so beeindruckend sein, qualitativ handelt es sich dabei oft um landschaftlich oder ortsbildlich sensible oder nur mit hohen Kosten zu erschließende Gebiete.

Das „Rückwidmen“ ist in den letzten zwanzig Jahren schwieriger geworden. Hohe Entschädigungszahlungen durch die Gemeinden stehen rasch im Raum, ihre rechtlichen Möglichkeiten wurden über Einflussnahme der Eigentümer*innen-Lobbys in den Gesetzesnovellen und in der Praxis weiter aufgeweicht. Daher erfordert das Ziel, raumplanungsfachlich nicht oder schlecht geeignetes Bauland aus dem Flächenwidmungsplan herauszunehmen, eingehende Aushandlungsprozesse. Ein couragierter Zugang lässt auch Win-win-Situationen für die Allgemeinheit und die Eigentümerinnen und Eigentümer entstehen.