Briefwahl
Mit dem Wahlrechtsänderungsgesetz 2023 wollten die Abgeordneten sicherstellen, dass bei bundesweiten Wahlen wie Nationalratswahlen und EU-Wahlen künftig schon am Wahltag ein Wahlergebnis vorliegt, das nahe am Endergebnis liegt.
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Politik

Beschleunigte Auszählung von Briefwahlstimmen soll für genaueres Ergebnis am Wahltag sorgen

24. Januar 2023
Das von den Koalitionsparteien vorgeschlagene Wahlrechtsänderungsgesetz 2023 hat eine wichtige parlamentarische Hürde genommen. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats stimmte mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS für die umfangreiche Sammelnovelle, die unter anderem eine beschleunigte Auszählung von Briefwahlstimmen, Verbesserungen für Menschen mit Behinderung und höhere Entschädigungen für Wahlbeisitzer bringt.

Zuvor waren in Reaktion auf das vom Ausschuss durchgeführte Begutachtungsverfahren noch einige Änderungen am ursprünglichen Entwurf vorgenommen worden.

So wird etwa den Gemeinden in Bezug auf die barrierefreie Gestaltung sämtlicher Wahllokale eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2028 zugestanden. Bei Bundespräsidentenwahlen wird künftig im Falle einer Stichwahl ein leerer amtlicher Stimmzettel ohne Namensvordruck zum Einsatz kommen. Eintragungslokale für Volksbegehren dürfen, wie schon ursprünglich geplant, in Hinkunft am Samstag geschlossen bleiben. 

Im Rahmen der Debatte äußerten sich alle Fraktionen grundsätzlich positiv zum Gesetzespaket. SPÖ und FPÖ wollten sich in Bezug auf ihr Stimmverhalten im Plenum aber noch nicht festlegen. Ihnen ist vor allem ein Dorn im Auge, dass eine Stimme künftig als ungültig gewertet werden soll, wenn das Wahlkuvert, in dem der Stimmzettel liegt, zugeklebt ist. Das könnte ihrer Meinung nach vor allem bei Briefwählerinnen und -wählern zu Problemen führen.

Begründet wurde dieser Schritt von ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl damit, dass man den Stimmzettel mit dem Zukleben des Kuverts quasi markieren könnte, zumal Wahlkuverts grundsätzlich keine Gummierung mehr haben und dafür ein Kleber oder ein Klebeband verwendet werden müsste. Zu dieser Frage soll es bis zu den Plenarberatungen aber noch Gespräche zwischen den Fraktionen und dem Wahlrechtsexperten des Innenministeriums Robert Stein geben.

Alles in allem sei es nach der Überarbeitung aber ein gutes Paket, waren sich SPÖ und FPÖ mit den Koalitionsparteien und den NEOS einig. Auch Innenminister Gerhard Karner sprach von einer Modernisierung des Wahlrechts.

Vom Verfassungsausschuss vertagt wurde ein Antrag der FPÖ. Verfassungssprecherin Susanne Fürst und ihre Fraktionskolleg:innen fordern eine klare Definition für den Begriff NGO.

Individueller Vorwahltag 

Mit dem Wahlrechtsänderungsgesetz 2023 wollen die Abgeordneten sicherstellen, dass bei bundesweiten Wahlen wie Nationalratswahlen und EU-Wahlen künftig schon am Wahltag ein Wahlergebnis vorliegt, das nahe am Endergebnis liegt. Dafür sollen neben einer rascheren Auszählung von Briefwahlstimmen auch neue Zustellregeln sorgen.

Zudem wird es künftig österreichweit möglich sein, die Stimme bereits bei Abholung der Wahlkarte am Gemeindeamt bzw. beim Magistrat abzugeben. Damit führe man quasi einen individuellen Vorwahltag ein, machen ÖVP und Grüne in den Erläuterungen zum Entwurf (3002/A) geltend. Ein Teil der Wahlkartenstimmen wird allerdings nach wie vor erst am Montag bzw. Donnerstag nach der Wahl ausgezählt werden können.

Barrierefreie Wahllokale

Um Menschen mit Behinderung das Wählen zu erleichtern, sieht der überarbeitete Gesetzentwurf unter anderem die verpflichtende Einrichtung eines barrierefreien Wahllokals in jedem Gebäude, in dem Wahllokale eingerichtet sind, vor. Auch muss künftig in jedem dieser barrierefreien Wahllokale eine Wahlzelle barrierefrei erreichbar sein. Ab 2028 müssen die Gemeinden dann einen barrierefreien Zugang zu sämtlichen Wahllokalen sicherstellen.

Weitere Verbesserungen für Menschen mit Behinderung sollen die Bereitstellung von Wahlschablonen auch für Wahlkarten, die Abschrägung des amtlichen Stimmzettels, Mindestschriftgrößen für Drucksorten sowie vermehrte Informationen in einfacher Sprache bringen. Das betrifft etwa das Informationsblatt über die Stimmabgabe mittels Wahlkarte, das in Hinkunft verpflichtend in leicht lesbarer Sprache verfasst sein muss.

Diese Maßnahme könnte auch insgesamt dazu beitragen, die Zahl der ungültigen Briefwahlstimmen zu reduzieren. Briefwählerinnen und -wählern werden künftig außerdem, analog zu den Wahlbehörden, die Möglichkeit haben, den Status ihrer Wahlkarte (etwa ausgestellt, bei der Gemeindewahlbehörde eingelangt) elektronisch nachzuverfolgen.

Höhere finanzielle Entschädigungen für Wahlbeisitzer

In Bezug auf die Administration von Wahlen werden mit dem Gesetzespaket unter anderem höhere finanzielle Entschädigungen für Wahlbeisitzerinnen und -beisitzer verankert. Diese erhalten künftig bundesweit einheitlich und wertgesichert zwischen 33 und 100 Euro, abhängig von der Länge der Öffnungszeit des jeweiligen Wahllokals.

Ausgezahlt werden soll die Entschädigung steuerfrei, dafür muss ergänzend zur Sammelnovelle allerdings noch das Einkommensteuergesetz geändert werden, wie in den Erläuterungen festgehalten wird. Am Umstand, dass die Tätigkeit von Wahlbeisitzer ein öffentliches Ehrenamt“ ist, ändert sich nichts. Auch Zwangsverpflichtungen bleiben - anders als ursprünglich geplant - weiterhin möglich.

Begleitend zur höheren finanziellen Entschädigung für Wahlbeisitzer wird auch die Pauschalentschädigung, die die Gemeinden für den Wahlaufwand vom Bund erhalten, deutlich erhöht. So werden künftig bei Nationalratswahlen pro wahlberechtigter Person 2 statt 0,94 Euro zur Auszahlung gelangen. Das entspreche ungefähr einer Verdoppelung, weil auch die 94 Cent in der ersten Jahreshälfte 2023 zu valorisieren gewesen wären, heißt es dazu in den Erläuterungen.

Kürzere Öffnungszeiten für Eintragungslokale für Volksbegehren

Entlastet werden die Gemeinden in Zusammenhang mit der Auflage von Volksbegehren. Die derzeit bestehende Verpflichtung, die Eintragungslokale auch am Samstag - für zumindest zwei Stunden - offenzuhalten, soll gemäß Gesetzentwurf künftig entfallen.

Zudem sind verlängerte Öffnungszeiten bis 20.00 Uhr nur noch an einem Werktag (statt wie bisher zwei) geboten. Begründet wird dieser Schritt damit, dass Volksbegehren seit Inkrafttreten des Volksbegehrensgesetzes 2018 sowohl in jeder beliebigen Gemeinde als auch online - via Handysignatur - unterschrieben werden können. Gleichzeitig gibt es für Einbringer von Volksbegehren einige technische Erleichterungen.

Auch bei den in größeren Gemeinden verpflichtenden Wahlkundmachungen in Wohnhäusern werden Änderungen vorgenommen. Aus diesen wird künftig nicht mehr hervorgehen, wie viele Personen in einer Wohnung wahlberechtigt sind. Vielmehr sind lediglich ein Hinweis auf die bevorstehende Wahl sowie Informationen über die Einsichtnahmemöglichkeit in das Wählerverzeichnis anzubringen. Im Gegenzug soll ein QR-Code die Überprüfung der eigenen Eintragung in die Wählerevidenz per Handysignatur erleichtern. Aus dem Entwurf wieder gestrichen wurde hingegen ein Passus, der Verwaltungsstrafen von bis zu 218 Euro für die vorzeitige Veröffentlichung von Teilergebnissen einer Wahl - etwa einer Gemeinde - vor Schließung des letzten Wahllokals vorgesehen gehabt hatte.

Leerer Stimmzettel bei Stichwahl zur Bundespräsidentenwahl

Dass bei der Wahl des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin im zweiten Wahlgang in Hinkunft generell ein leerer" Stimmzettel ohne Namensvordruck der beiden Kandidaten, die es in die Stichwahl geschafft haben, zum Einsatz kommt, begründen die Koalitionsparteien mit der künftig dezentralen Auswertung der Briefwahl-Stimmen.

Dadurch soll vermieden werden, dass in kleinen Gemeinden mit nur wenigen Briefwahlstimmen das Wahlverhalten einzelner Wählerinnen und Wähler nachvollzogen werden kann. Insbesondere Auslandsösterreicher bekommen nämlich schon derzeit bei Beantragung einer Wahlkarte neben dem Stimmzettel für den ersten Wahlgang einen "leeren" amtlichen Stimmzettel für die Stichwahl mitgeschickt.

Um den Wählerinnen und Wählern das Schreiben eines Namens zu ersparen, werden sie als Alternative auch die (fortlaufend vergebene) Nummer der Kandidatin bzw. des Kandidaten in den Stimmzettel eintragen können.

Weitere Punkte des Gesetzentwurfs betreffen eine verpflichtende Samstagsentleerung sämtlicher Briefkästen durch die Post samt zeitgerechter Zustellung der eingelangten Wahlkarten an die Bezirkswahlbehörden, erweiterte Datenverarbeitungen im Zentralen Wählerregister und die ersatzlose Streichung der Gemeindewahlbehörden in Städten mit eigenem Statut. Deren Aufgaben werden die Bezirkswahlbehörden übernehmen.

Zudem wird es künftig allen Sprengelwahlbehörden möglich sein, sich gegebenenfalls erst am Wahltag zu konstituieren. Der Zeitpunkt der Ausstellung der amtlichen Wahlinformation wird vorverlegt, die Ausübung mehrerer Funktionen in ein und derselben Wahlbehörde ausdrücklich verboten. Auch Vorkehrungen für einen etwaigen Ausfall des Zentralen Wählerregisters werden getroffen.

Karner: Wahlrecht wird modernisiert

Innenminister Gerhard Karner betonte, Ziel des Pakets sei es gewesen, das Wahlrecht zu modernisieren. So sollen viele Briefwahlstimmen bereits am Wahltag von den einzelnen Sprengelwahlbehörden ausgezählt werden.

Das Paket bringe Verbesserungen sowohl für die Wahlbehörden als auch für die Wähler:innen, ist er überzeugt. Auch die Einschränkung der Öffnungszeiten der Eintragungslokale für Volksbegehren sieht er als gerechtfertigt: Seit es die Möglichkeit der digitalen Unterschrift gebe, sei am Samstag oft niemand mehr auf das Gemeindeamt gekommen. Was die Barrierefreiheit betrifft, sind dem Minister zufolge derzeit 75 % der Wahllokale barrierefrei.