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„Befristete Mietverhältnisse bei Hauptwohnsitzwohnungen sind zu verbieten“
KOMMUNAL: Der Bodenverbrauch ist eines der großen Themen unserer Zeit. Die Gemeinden wissen, wie wichtig ein sparsamer Umgang mit dieser Ressource ist. Das war mit ein Grund, warum der Gemeindebund den „Bodenschutzplan“ ins Leben gerufen hat. Was halten Sie von diesem Plan? Und wie wichtig ist Ihrer Ansicht nach die künftige Rolle der Gemeinden, deren Raumordnungskompetenz in dieser Frage eine zentrale Rolle spielen wird?
Herbert Kickl: Für die Gemeinden ist es selbstverständlich, mit der Ressource Boden im Sinne der Nachhaltigkeit verantwortungsvoll umzugehen. Selbstverständlich begrüßen wir Ziele, Anreize und Förderprogramme gegen den Bodenverbrauch und die Zersiedelung. Die von vielen NGOs geforderte Einführung verpflichtender Grenzwerte durch ein Bundesverfassungsgesetz erachten wir jedoch mit der Autonomie der Länder und Gemeinden im Rahmen der Verfassung für nicht vereinbar. Vor diesem Hintergrund werden die Gemeinden weiterhin ihre zentrale Rolle ausfüllen.
Bei den Gemeindefinanzen geht es ähnlich emotional zu. Viele Gemeinden können aktuell trotz Sparmaßnahmen und teils großzügiger Hilfen aus dem KIG immer öfter ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen, weil einfach kein Geld da sind. Die Teuerung, die hohen Standards und die Übertragung von Aufgaben ohne finanzielle Bedeckung tragen das ihre bei. Liegt die Lösung dieser Frage in mehr FAG-Mittel für die Gemeinden, der Ausschöpfung von Effizienzpotenzialen oder gar in der Einschränkung von kommunalen Leistungen?
Die kommunale Situation der Gemeinden ist eine katastrophale. So werden voraussichtlich 15 Prozent der Kärntner Gemeinden im Laufe des heurigen Jahres zahlungsunfähig werden und schaffen es nicht mehr, ganz normale, banale, regelmäßige Ausgaben wie Schneeräumung oder Straßenerhaltung oder die Kindergärten zu finanzieren.
Der aktuelle Finanzausgleich ist für viele Gemeinden negativ zu sehen. Die Gemeinden werden kontinuierlich ausgehungert. Obwohl im Finanzausgleich ein Zukunftsfonds in der Höhe von 1,1 Milliarden Euro fixiert wurde, kommt dieses Geld nicht automatisch in den Gemeinden an, sondern diese müssen abermals als Bittsteller bei den Ländern auftreten.
Die Gemeinden wollen seit Jahren eine Neuordnung bei der Grundsteuer. Es handelt sich dabei um eine wesentliche gemeindeeigene Einnahme – und durch die Inaktivität, was die Valorisierung betrifft, verlieren die Gemeinden rund 380 Millionen Euro pro Jahr. Um das auszugleichen, müsste die Grundsteuer um 30 bis 40 Prozent angehoben werden. Ist es aus Ihrer Sicht zulässig oder geboten, Steuern auch anzupassen?
Einzelmaßnahmen stehen wir ablehnend gegenüber. Eine massive Änderung bei der Höhe bzw. Einhebung der Grundsteuer ist für uns nur im Zuge einer umfassenden Steuerreform denkbar.
Was sind Ihre Ansätze, um die verzwickte Lage auf dem Immobilienmarkt zu entschärfen – gerade, weil viele Immobilien eher als Wertanlage behandelt werden. Wie wollen Sie diese Immobilien wieder mobilisieren und dadurch Eigentum wieder leichter und vor allem leistbarer zu ermöglichen?
Leistbares Wohnen als grundlegende Säule leistbaren Lebens ist möglich. Folgende Sofortmaßnahmen sind zu setzen, um eine Trendwende auf dem Wohnungsmarkt herbeizuführen:
1. Mietenstopp – Keine Erhöhung der Kategorie- und Richtwertmieten: Die Erhöhung der Richtwert- und Kategoriemieten ist bis inklusive 2026 auszusetzen – wie es der Antrag 3090/A der laufenden Gesetzgebungsperiode bereits vorgesehen hat.
2. Limitierung der Indexierung aller Mieten: Die Indexierungen sämtlicher Mieten im Wohnbereich werden daraufhin mit zwei Prozent – dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank – limitiert. Diese Maßnahme soll mittelfristig zu einem Absinken der Realmieten führen, um leistbares Wohnen zu befördern und wieder ein Gleichgewicht zwischen Mietern und Vermietern herzustellen.
3. Ausdehnung des Vollanwendungsbereiches des MRG anhand thermisch-energetischer Kriterien: Thermisch-energetisch für die jeweilige Gebäudekategorie unterdurchschnittliche Bausubstanz im mehrgeschoßigen Segment soll in den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes integriert werden. So werden erforderliche Sanierungsanreize gesetzt und gleichzeitig breite Segmente bisher frei vermietbarer Wohnungen in das regulierte, leistbare Spektrum verschoben. Der Trend des Abschmelzens preisgebundener Miete wird umgekehrt. Erst wenn ein überdurchschnittlicher thermisch-energetischer Gebäudestandard erreicht ist, soll für die Dauer typischer Förderungsdarlehen (ca. 35 Jahre) wieder freie Mietzinsbildung möglich sein.
4. Befristungsverbot für gewerbliche bzw. institutionelle Immobilieneigentümer: Befristete Mietverhältnisse bei Hauptwohnsitzwohnungen sind zu verbieten, sofern es sich um gewerbliche bzw. institutionelle Vermieter handelt. Es wurde etwa durch Erhebungen STATISTIK AUSTRIA nachgewiesen, dass Befristungen zu den wesentlichen Kostentreibern auf dem Wohnungsmarkt zählen – und durch ein weitgehendes Verbot eine wesentliche Entschleunigung der Marktdynamik herbeigeführt würde.
5. Gesetzlich zwingende Verlängerungsoption befristeter Mietverträge: Auslaufende Mietverhältnisse führen gerade in Zeiten sinkender Kaufkraft zu besonderer sozialer Unsicherheit. Nahezu jede zweite Hauptwohnsitzwohnung wird lediglich befristet vermietet. Wohnungswechsel sind mit erheblichen Mehrkosten verbunden, die für breite Teile der Bevölkerung derzeit keinesfalls tragbar sind. Folglich sind befristete Bestandsverhältnisse im Wohnbereich – die innerhalb von drei Jahren auslaufen würden – mit einer gesetzlich zwingenden mieterseitigen Verlängerungsoption bei gleichbleibender Miete auszustatten.
6. Bundeszuschuss zur Wohnbauförderung: Die Ausgaben der Länder für die Wohnbauförderung rangieren derzeit bei lediglich 0,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dies entspricht insbesondere unter den derzeitigen Rahmenbedingungen dramatisch gestiegener Baukosten, hoher Bodenpreise und steigender Kapitalmarktzinsen in keiner Weise dem realen Bedarf. Um geförderte Neubauleistung auch mittelfristig gewährleisten zu können, ist hier ein wesentlich stärkerer Mitteleinsatz erforderlich, der durch einen bundesseitigen, jedenfalls 15-jährigen Zuschuss im Ausmaß von 0,6 Prozent des BIP ermöglich werden soll. Geförderte Wohnungen sollen bundesweit analog zu § 8 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz bevorzugt an österreichische Staatsbürger vergeben werden.
7. Wohnbauinvestitionsbank: Die Situation wesentlich höherer Zinsniveaus an den Kapitalmärkten wird sich voraussichtlich weiter verschärfen und strukturell etablieren. Deshalb erneuern wir unsere Forderung nach einer Wiederbelebung der Wohnbauinvestitionsbank, um langfristige, günstige Kredite für den leistbaren Wohnbau sicherstellen zu können. Die entstehenden Wohnungen sollen analog zu § 8 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz bevorzugt an österreichische Staatsbürger vergeben werden.
8. Wirksame Steuerbegünstigungen für Sanierungen und Investitionen: Umfassende Wohnpolitik muss auch geeignete Investitionsanreize setzen. Hier wäre die AfA entsprechend zu beschleunigen, um Sanierungen und Investitionen zu attraktiveren.
Die Gemeinden finanzieren zu hohen Anteilen die Spitalsversorgung und die ärztliche Versorgung am Land sowie die Pflege mit. Die Gemeinden schaffen oft und im Grunde immer über den gesetzlichen Rahmen hinaus die Grundlagen, um eine Landarztstellen nachzubesetzen. Das ist aber die Aufgabe und Kompetenz der Gesundheitskassen. Was ist Ihr Rezept, um die ärztliche Versorgung am Land sicherzustellen, ohne dabei die Gemeinden zu involvieren?
Durch Landarztstipendien, die tatsächlich umfassende finanzielle Förderung der Schaffung neuer Einzelpraxen, Gruppenpraxen bzw. Primärversorgungszentren durch das Gesundheitsministerium aus Bundesmitteln sowie attraktiven und leistungsgerechten Vergütungstarifen der Sozialversicherungen für den niedergelassenen Bereich.
In vielen Bereichen der öffentlichen Hand wird durch eine – bewusst oder unbewusst – selbstgemachte Überregulierung das Leben in den Gemeinden zunehmend erschwert und belasten die Gemeindeverantwortlichen mit teils enormen Haftungsrisiken. Wie wollen Sie diese Überregulierung in den Griff bekommen – und dabei vor allem die Gemeinden aus dem Spiel lassen?
Durch die fortschreitende Bürokratisierung aber auch die Digitalisierung werden die Gemeinden zunehmend zur Erstanlaufstelle für Problemstellungen verschiedenster Art.
Einerseits braucht es angesichts dessen entsprechende Unterstützungsmaßnahmen, damit die Gemeinden den an sie gerichteten Erwartungshaltungen gerecht werden können. Andererseits braucht es eine massive Schubumkehr in Richtung Entbürokratisierung, damit die staatliche Verwaltung effizient arbeiten kann.
Bei der Kinderbetreuung gibt es immer wieder Stimmen, die einen Rechtsanspruch wie in Deutschland fordern. Die Situation in Deutschland zeigt aber gerade auf, dass durch den Rechtsanspruch keine Plätze geschaffen werden, sondern nur der Kosten- und Belastungsfaktor massiv gestiegen ist. Braucht es in dieser Frage auch bei uns Zwang oder vertrauen Sie auf die bedarfsgerechten Lösungen, die die österreichischen Gemeinden seit vielen Jahren anbieten?
Ein Rechtsanspruch würde zu Druck insbesondere vom Arbeitgeber auf die Mütter führen, wenn diese die längere Karenzvariante in Anspruch nehmen oder Teilzeit arbeiten möchten, um die Kinderbetreuung selbst oder mit der Familie zu organisieren.
Mütter müssen selbst entscheiden und die Wahlfreiheit haben dürfen, ob sie ihre Kinder zuhause betreuen oder einen Kinderbetreuungsplatz in Anspruch nehmen wollen. Zwang lehnen wir hier entschieden ab. Wenn eine Mutter sich dazu entscheidet, ihre Kinder selbst zu betreuen, muss das auch finanziell entsprechend abgegolten werden.
Ausreichend Kinderbetreuungsplätze müssen bedarfsgerecht für jene zur Verfügung stehen, die diese brauchen.
Wir wollen ein Kinderbetreuungs-Zuschussgesetz mit einer bundeseinheitlichen Finanzierung der Elementarpädagogik-Angebote und der Anwendung auf die differenzierten Betreuungsangebote in der Elementarpädagogik.
Österreich bemüht sich seit der Nachkriegszeit, die Besiedelung und Bewirtschaftung des gesamten Landes sicherzustellen. Aktuell ist die flächendeckende Bereitstellung von Glasfaser einer der wesentlichen Infrastruktur-Herausforderungen. Was ist Ihr Modell, um zu einer vollflächigen Versorgung des Landes mit Glasfaser zu kommen?
Eine zukunftsfähige digitale Infrastruktur ist essenziell für die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der österreichischen Wirtschaft. Dabei spielen sowohl der feste als auch der mobile Breitbandausbau eine entscheidende Rolle.
Wir setzen auf private Investitionen als Haupttreiber des Breitbandausbaus. Der Wettbewerb unter privaten Anbietern fördert Innovation und Effizienz. Durch attraktive Rahmenbedingungen und regulatorische Sicherheit schaffen wir Anreize für Unternehmen, in den Breitbandausbau zu investieren. Kooperationen zwischen privaten Unternehmen und öffentlichen Stellen können zusätzlich Synergien schaffen und den Ausbau beschleunigen.
Zur Unterstützung der kommunalen Gebietskörperschaft auf europäischer Ebene hat der Gemeindebund einen eigenen „EU-Kommissar für Gemeinden“ gefordert. Unterstützen Sie diese Forderung?
Die illegale Masseneinwanderung mit all ihren negativen Folgen ist seit Jahren das größte Problem und daher fordern wir einen „EU-Remigrations-Kommissar“.
Was ist ihrer Ansicht nach die künftige Rolle der Gemeinden im österreichischen Staatsgefüge?
Die heutige Rolle der Gemeinden als niederschwellige Anlaufstelle für die Bürger wird auch in Zukunft ein Eckpfeiler des heimischen Staatsgefüges bleiben.