Planung von Windrädern
Die Gemeinden sind es, die auf lokaler Ebene die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung erzeugen können. Dementsprechend ist zu bezweifeln, ob ein rascher Ausbau der erneuerbaren Energien gelingen mag, wenn der Bevölkerung ohne deren Einbindung Windräder „hingeknallt“ werden.
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Energiewende

Aus für Mitsprache bei Errichtung von Windrädern

Der 1. März 2023 brachte einen gewaltigen Paukenschlag für Österreichs Gemeinden. An diesem Tag beschloss der Nationalrat die im Vorfeld heftig von Gemeindevertretern kritisierte Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G-Novelle 2023). Mit der Novelle wird in bisher noch nicht da gewesener Art und Weise in die Autonomie der österreichischen Gemeinden eingegriffen.

Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) setzte sich der Bund zum Ziel, den Gesamtstromverbrauch ab 2030 zu 100 Prozent national bilanziell aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Um dieses Ziel erreichen zu können, muss in Österreich die Ökostromleistung um 27 Terawattstunden (TWh) erhöht werden. Als ein Hemmschuh beim Ausbau der erneuerbaren Energien erweisen sich bislang die langwierigen Genehmigungsverfahren. 

In der aktuellen UVP-G-Novelle 2023 sieht die Bundesregierung nun die Basis für einen „Erneuerbaren-Turbo“: Sie soll für schnellere Verfahren und damit einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien sorgen.

Auch aus kommunaler Sicht sind schnellere Genehmigungsverfahren für ein Gelingen der Energiewende notwendig und zu begrüßen. Insoweit nahm sich die Bundesregierung mit der gegenständlichen Novellierung eines wichtigen Anliegens aus Politik und Wirtschaft an. Mit der Novelle soll insbesondere die Windkraft in Österreich in Bewegung kommen.

Ein neu geschaffener § 4a Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) soll durch die Zurückdrängung des im UVP-Verfahren mitanzuwendenden Landesrechts zum schnelleren Ausbau der Windkraft beitragen. Der Bundesgesetzgeber reagiert mit dieser Regelung auf jene Bundesländer, die durch fehlende planungsrechtliche Festlegungen den Ausbau der Windkraft bislang hemmen.

Keine Widmung durch Gemeinde mehr erforderlich

Für die Gemeinden bringt der § 4a UVP-G 2000 aber eine wenig erfreuliche Neuerung: Künftig bedarf es für die Errichtung von Windkraftanlagen keiner entsprechenden Widmung durch die Gemeinden. Dadurch verlieren die Gemeinden eine wichtige Entscheidungs- und Mitsprachemöglichkeit bei Windkraftanlagen, obwohl die örtliche Raumplanung gemäß Art. 118 Abs. 3 Z 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) explizit von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen ist.

Durch den Wegfall der örtlichen Flächenwidmung als Zulässigkeitsvoraussetzung im UVP-Verfahren greift der § 4a UVP-G 2000 massiv in die örtliche Raumplanung und somit in eine der Kernkompetenzen der Gemeinden ein. 

Betroffen sind nur Bundesländer, in denen es keine Zonierungen gibt

Auch ein Kuriosum zum § 4a UVP-G 2000 sei noch erwähnt: In Bundesländern ohne entsprechende Vorrangs- bzw. Eignungszonen für Windkraft wird der Projektwerber künftig die Zustimmung der Standortgemeinde zum Projekt vorlegen müssen, während ein solches Zustimmungserfordernis in Bundesländern mit Windenergieraumplanung nicht besteht. Weshalb der Bundesgesetzgeber das Zustimmungserfordernis nur im Fall einer fehlenden Windenergieraumplanung als notwendig erachtet, bleibt unergründlich. Meines Erachtens gibt es keinen sachlich gerechtfertigten Grund für eine Unterscheidung.

In beiden Fällen ist den Gemeinden ihre raumplanerische Kompetenz genommen. Als Mindestmaß einer Gemeindebeteiligung im UVP-Verfahren wäre somit unabhängig vom Bestehen von Vorrangs- bzw. Eignungszonen ein Zustimmungserfordernis der Gemeinden wünschenswert gewesen. Angesichts dieser Regelung stellt sich die Frage, ob überhaupt (noch) eine überörtliche Windenergieraumplanung aufgestellt werden sollte. Wenn man die Gemeinden nicht völlig außen vorlassen möchte, wird man sich wohl gegen eine solche aussprechen.

Der Österreichische Gemeindebund lehnte von Anfang an den § 4a UVP-G 2000 ab. Trotz des schwerwiegenden Eingriffs in die Gemeindeautonomie ließ der Bund die geäußerten (verfassungsrechtlichen) Bedenken unberücksichtigt. Der § 4a UVP-G 2000 wurde mehr oder weniger unverändert zum Ministerialentwurf vom Nationalrat beschlossen. 

Eingriff in Raumplanungskompetenz und Gemeindeautonomie

Mit der Novelle werden die Gemeinden nun für die Versäumnisse einiger Bundesländer bei der Windkraft „abgestraft“: Sie müssen einen erheblichen Eingriff in ihre Raumplanungskompetenz und Gemeindeautonomie erfahren. Dabei sind es die Gemeinden, die in der Vergangenheit mehrfach bewiesen haben, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele geleistet haben und auch ­zukünftig leisten werden. Immer wieder werden die Gemeinden unrichtigerweise als Bremser beim Ausbau erneuerbarer Energien dargestellt. Dem ist jedoch nicht so.

Als aktuelles Beispiel sei das Windparkprojekt auf dem Saurüssel in Oberösterreich genannt. Dort kämpfen 15 Bürgermeister:innen der Klima- und Energiemodellregion Attersee-Attergau um einen Windpark mit fünf Windrädern und einer Gesamtleistung von 22,5 Megawatt. Mit einer geplanten Jahresstromproduktion von 60.000 Megawatt könnten 15.200 Haushalte versorgt werden. Das Projekt erhält jedoch vom Land nicht die nötige Unterstützung und droht zu scheitern.

Beschleunigung der UVP-Verfahren darf nicht zulasten der Gemeindeautonomie gehen

Um ein allfälliges Missverständnis aus dem Weg zu räumen: Die Gemeinden sind nicht gegen schnellere Genehmigungsverfahren. Im Gegenteil sind raschere Verfahren ein wichtiger Schlüssel auf dem Weg zur Energiewende. Es geht aber nicht an, dass die Beschleunigung der UVP-Verfahren zulasten der Gemeindeautonomie geht.

Die örtliche Raumplanungskompetenz der Gemeinden ist verfassungsrechtlich verankert und kann nicht mit einem einfachen Bundesgesetz – wie dem UVP-G 2000 – ausgehebelt werden. Ein solcher Eingriff kann zudem nicht auf die Bedarfsgesetzgebung des Art. 11 Abs. 1 Z 7 B-VG gestützt werden. Hier liegt aus unserer Sicht mit der UVP-G-Novelle 2023 ein klarer Verfassungsbruch vor. Diese Rechtsansicht wird von anderen Institutionen sowie renommierten Rechtsexperten geteilt.

Gemeinsames Vorgehen hat sich bewährt

Außerdem übersieht der Bund die Rolle, die den Gemeinden beim Ausbau der erneuerbaren Energien zukommt. Wer den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen will, braucht die Gemeinden und die Bürgerinnen und Bürger im Boot.

Grundsätzlich steht die österreichische Bevölkerung hinter dem Ausbau erneuerbarer Energien. Sobald dieser jedoch vor der eigenen ­Haustür passieren soll, sieht die Angelegenheit aber bekanntlich anders aus. Dann formieren sich rasch Bürgerinitiativen und treten gegen Windparks, Hochspannungsleitungen etc. auf.

Die Erfahrungen zeigen, wie sensibel die Bevölkerung insbesondere dem Thema Windkraft gegenübersteht. Hier gilt es Bedenken und Vorbehalte behutsam abzubauen. In der Vergangenheit hat sich ein gemeinsames Vorgehen im Einklang mit Projektwerbern, Gemeinden und Bürger:innen bewährt. Es zeigt sich, dass mit der Beteiligung der Gemeinden Verfahren schneller abgewickelt werden können.

Die Gemeinden sind es, die auf lokaler Ebene die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung erzeugen können. Dementsprechend ist zu bezweifeln, ob ein rascher Ausbau der erneuerbaren Energien gelingen mag, wenn der Bevölkerung ohne deren Einbindung Windräder „hingeknallt“ werden. Ohne die örtliche Diskussion im Gemeinderat und die damit verbundene kommunale politische Willensbildung im Rahmen des Flächenwidmungsverfahrens wird mit deutlich mehr Widerstand aus der Bevölkerung zu rechnen sein. Dadurch würden Windkraftprojekte statt einem „Erneuerbaren-Turbo“ erst recht Verzögerungen durch Einsprüche und Rechtsmittelverfahren erfahren.

Gemeinden prüfen Beschreitung des Rechtsweges

Gemeindebund
Einstimmig und parteiübergreifend hat sich das Präsidium des Österreichischen Gemeindebundes unmittelbar nach Bekanntwerden der Novelle dagegen ausgesprochen. 

Aus den angeführten Gründen kann die UVP-Novelle 2023 in dieser Form nicht hingenommen werden. Das Präsidium des Österreichischen Gemeindebundes hat deshalb beschloss, sich  parteiübergreifend und einstimmig in einem Positionspapier dagegen zu wehren (siehe Beitrag rechts).

Wenn auch zum jetzigen Zeitpunkt (März 2023, Anm. d. Redaktion) das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, wird mit einer Abänderung des Gesetzes auf politischem Wege nicht mehr gerechnet werden können und die vom Nationalrat beschlossene Novelle wohl noch in diesem Halbjahr in Kraft treten.

Folglich bleibt zur Verteidigung der Gemeindeautonomie nur noch die Beschreitung des Rechtsweges. Als klarer Auftrag der letzten Präsidiumssitzung wird nun die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof geprüft. Denn wenn es um die Gemeindeautonomie geht, werden sich die Gemeinden so schnell nicht geschlagen geben.