Untersuchung von Wasser
Verfahren zur Bestimmung von Arzneimittelrückständen im Abwasser sind hochspezifisch und können oft nur jeweils einen oder wenige Stoffe ermitteln.
© Alexander Haiden, BMLRT

Abwasserwirtschaft - Welche Messungen vernünftig sind

In Sachen Wasser steht Österreich sehr gut da. Nicht nur beim Trinkwasser, auch beim Abwasser. Welche Parameter künftig zu dessen Qualitätskontrolle herangezogen werden, hängt von der zu überarbeitenden Kommunalabwasserrichtlinie der EU ab.

Die Trinkwasserrichtlinie der EU sorgte im vergangenen Jahr zwischenzeitlich für einige Aufregung in Österreich. Streitpunkt waren insbesondere mögliche neue Messverpflichtungen. Diese wurden allerdings entschärft und der Wirbel legte sich wieder. Mittlerweile ist die neue Richtlinie ausverhandelt und steht kurz vor der Kundmachung. Einer artverwandten Richtlinie könnte ebenfalls bald eine Anpassung bevorstehen.

Die Rede ist von der europäischen Kommunalabwasserrichtlinie (Richtlinie 91/271/EWG). Diese wurde evaluiert. Dabei kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Richtlinie zwar zweckmäßig sei, jedoch in mehreren Aspekten auch Verbesserungspotenzial dieser sehr erfolgreichen Richtlinie bestehe. Die fast dreißig Jahre alten Rechtsvorschriften hätten erfolgreich dazu beigetragen, die Abwassersammlung und -behandlung in der gesamten EU zu verbessern.

Jetzt gelte es, bestehende und neu auftretende Verschmutzungen zu bekämpfen, sich an die durch den Klimawandel bedingten Probleme anzupassen und auf technologische Entwicklungen zu reagieren, um die Bürger und die Umwelt vor den nachteiligen Auswirkungen von Abwassereinleitungen weiterhin bestmöglich zu schützen.

Heide Müller-Rechberger
Heide Müller-Rechberger: „Leiterin der Abteilung Anlagenbezogene Wasserwirtschaft im BMLRT: „Das Abwasser ist ein Spiegelbild unseres Lebensstils.“

KOMMUNAL hat daher mit der Leiterin der Abteilung für Anlagenbezogene Wasserwirtschaft im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) gesprochen. In dieser Eigenschaft sitzt Heide Müller-Rechberger unter anderem auch in der Expertengruppe zur Kommunalabwasserrichtlinie und verfolgt die Diskussion dazu. Eingangs stellt sie klar: „Die EU hat sich noch nicht klar festgelegt, was sie vorhat. Man kann aus dem Evaluierungsbericht schon einiges herauslesen, aber natürlich sind das vorerst Spekulationen.“

Ein Thema, das breit diskutiert wird, sind Emerging Pollutants. Dabei handelt es sich um verschiedene Substanzgruppen organischer Schadstoffe. Sie werden beispielsweise in Flammschutzmitteln, Tensiden, Bioziden, Körperpflegemitteln oder Pestiziden eingesetzt.

Problemfälle Mikroplastik und Pharmazeutika

„Kurz gesagt Spurenstoffe, die noch nicht geregelt sind. Dazu gehören auch Mikroplastik und Pharmazeutika“, erklärt Müller-Rechberger, „doch ist noch gar nicht absehbar, inwieweit sie in der kommunalen Abwasserrichtlinie letztendlich behandeln werden. An und für sich ist das Thema auch immissionsseitig in der Wasserrahmenrichtlinie angesiedelt.“  

Im Zuge der Evaluierung wurde festgestellt, dass die Kläranlagen schon jetzt über 95 Prozent der Kunststoffe aus dem Wasser entfernen. Das ist schon sehr effizient – wollte man diesen Prozentsatz noch steigern, dann wäre das nur mit viel Aufwand zu erreichen.

„Weitaus wirkungsvoller wären Maßnahmen, bei denen noch mehr Potenzial liegt, insbesondere bei der Vermeidung. Die Frage lautet: Wo kommt das Mikroplastik her?“, erklärt Müller-Rechberger. Sie vermutet aber aus einem anderen Grund, dass es auch bei einer aktualisierten Richt­linie eher nicht in Richtung Grenzwerte gehen wird: „Es gibt noch keine Analysemethoden, die man jeder Kläranlage zumuten könnte. Zwar gibt es momentan viele verschiedene Verfahren, um Mikrokunststoffe zu bestimmen, aber noch keinen Konsens darüber, welches Verfahren State-of-the-art sein soll. Solche Verfahren müssen jedenfalls verlässlich, leistbar und für den Routinebetrieb tauglich sein.“ 

Viele Medikamente rutschen durch

Bei Arzneimitteln ist die Situation nicht ganz unähnlich. Auf EU-Ebene existieren noch keine Qualitätsziele für Arzneimittel in Gewässern. Sie sind aber in Diskussion. Die Kläranlagen in Österreich sind in der Regel dreistufig. Stufe eins ist die mechanische Reinigung, Stufe zwei die biologische, nur auf Kohlenstoff ausgerichtete, und Stufe drei ist die gezielte Nährstoffentfernung - konkret von Stickstoff und Phosphor. 

„Der biochemische Abbau greift auch einige Medikamente an. Das ist aber kein gezielter Abbau“, klärt Müller-Rechberger auf. „Das Schmerzmittel Ibuprofen wird zum Beispiel ganz gut entfernt. Andere Arzneimittel passieren hingegen die Kläranlage, ohne dass überhaupt ein Abbau stattfindet.“ Natürlich gäbe es Techniken, um einige Arzneimittel mehr abzubauen oder zu entfernen. Das wäre die vierte Reinigungsstufe. Eine solche hat international nur die Schweiz vorzuweisen – zwar nicht flächendeckend, aber doch immerhin bei 15 Prozent aller Anlagen.

Abwasserreinigung ist eine Kosten-Nutzen-Frage

Die Kläranlagen-Expertin weiß: „Mit Aktivkohle, Ozon oder einer Kombination der beiden kann man viele Spurenstoffe aus dem Abwasser entfernen. Wie weit man die Abwasserreinigung treibt, ist schlussendlich auch eine Kosten-Nutzen-Frage.“

Traisen bei Altenwörth
Die Traisen bei Altenwörth – in der Fachsprache ein sogenannter Vorfluter, sprich nichts anderes als ein Wasserlauf, der Wasser und Abwasser aufnimmt und weiterleitet. Foto: Alexander Haiden, BMLRT

Grund zur Beunruhigung besteht allerdings keiner. Das Ministerium betreibt ein intensives Monitoring, um abzuschätzen, ob Handlungsbedarf besteht. Erst kürzlich gab es dazu in Österreich eine Abwasser-Untersuchung zu 90 verschiedenen Arzneimittelwirkstoffen und Metaboliten. Die aktuelle Erkenntnis: Derzeit gibt es keine Erfordernis für eine flächendeckende vierte Reinigungsstufe. 

Das geklärte Abwasser ist also nach aktuellem Wissensstand unbedenklich. Garantiert unbedenklich ist auch unser Trinkwasser, denn während in anderen EU-Ländern dafür Oberflächenwasser herangezogen wird, besteht unser Trinkwasser in Österreich zu hundert Prozent aus bestem Grund- und Quellwasser. Tu felix Austria!