Blättern in der Gemeindezeitung
Eine der Motivationen des Konsums von Gemeindemedien scheint unter anderem zu sein, sich selbst, Bekannte oder ein Familienmitglied dann und wann in der Gemeindezeitung wiederzufinden.

Wie Gemeindekommunikation im Ländle funktioniert

Gemeinden wollen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern in gutem Kontakt stehen. Überdies müssen sie einer gesetzlichen Informationspflicht nachkommen. Wie das gut funktionieren könnte, zeigt ein Vorarlberger Projekt über „Gemeindekommunikation im 21. Jahrhundert“. Die Verantwortlichen berichten.

Das in Österreich traditionelle Gemeindeblatt dient diesem Kontakt in Pflicht und Kür und erreicht zwar in vielen Gemeinden nach wie vor die meisten Haushalte, aber längst nicht mehr alle Ziel- und Altersgruppen.

Internetportale, Bürgermeisterbriefe, so genannte Soziale Medien, regionale Magazine oder weiterhin auch das persönliche Gespräch sind ergänzende Kanäle. Je nach Gemeindegröße sind mehr oder weniger Ressourcen vorhanden, um diese auch entsprechend zu bespielen.

Hinzu kommen schnell wechselnde Anforderungen an gute Onlinekommunikation, betriebswirtschaftliche Vorgaben im privaten Mediensektor und sich ändernde Nutzungsgewohnheiten vor allem in der jungen Zielgruppe, die Gemeinden vor große Herausforderungen stellen, mit ihren Bewohnern und Bewohnerinnen im Dialog zu bleiben.

Wie Gemeinden zeitgemäß kommunizieren

Die beiden Vorarlberger Regionalplanungsgemeinschaften Vorderland-Feldkirch und Walgau haben sich entschieden, auf diese neuen Herausforderungen reagieren zu wollen. Sie setzten dazu gemeinsam mit der Fachhochschule Vorarlberg ein Projekt auf, um unter anderem zu untersuchen, welche Medienkanäle zeitgemäß und effizient für die Gemeindekommunikation einsetzbar sind und wie eine Qualitätssicherung der Inhalte mit vertretbarem Aufwand realisiert werden kann. In einer Recherchephase wurden die meisten Gemeinden besucht, deren eigene Medien analysiert und die jeweils für die Öffentlichkeitsarbeit Zuständigen interviewt.

Obwohl es sich bei den 27 Gemeinden der beiden Regios meist um Kleingemeinden mit nebenberuflichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und beschränkten Ressourcen handelt, wird der Kommunikation mit den Bürgern und Bürgerinnen viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Beide Regionen kommunizieren gedruckt sowohl gemeinsam als auch eigenständig.  Genau analysiert wurden auch die Abläufe im Hintergrund: Derzeit verfassen die Fachabteilungen der Gemeinden wöchentlich einen Großteil der Berichte und schicken sie per E-Mail an die zuständigen Personen oder Abteilungen, die das Gemeindeblatt schließlich zusammenstellen.

In der Region Vorderland übernimmt diese Aufgabe deren größte Gemeinde Rankweil, in der Region Walgau übernimmt diese Aufgabe die Redaktion des kommerziell vom Regionalzeitungsverlag herausgegebenen Walgaublattes. Zusätzlich geben die einzelnen Gemeinden monatlich oder auch nur halbjährlich eigene Druckwerke heraus. Für jeden weiteren Verbreitungskanal müssen die Inhalte derzeit noch aufwändig neu aufbereitet werden.

Bürger wollen sich in der Zeitung sehen

Auch von Bürgerseite ist das Bedürfnis nach Informationen aus der Gemeinde hoch. Eine der Motivationen des Konsums von Gemeindemedien scheint unter anderem zu sein, sich selbst, Bekannte oder ein Familienmitglied dann und wann in der Gemeindezeitung wiederzufinden. Das Gemeindeleben mit den dort lebenden Menschen abzubilden wurde eine tragende Säule für die weitere Gestaltung.

Der Analyse der Medien und der dahinter liegenden Produktionsprozesse folgte eine Phase der Konzeption von Prototypen für die Region Vorderland bzw. von Schulungen zur Bildung von Redaktionsteams mit Bürgern und Bürgerinnen im Walgau. In der Umsetzungsphase werden sodann konkrete Varianten für den Um- und Ausbau von Medienkanälen erprobt. 

Das traditionelle Gemeindeblatt wurde in den beiden untersuchten Regionen bereits ergänzt: Es gibt jeweils einen gemeinsamen Webauftritt und jeweils ein gemeinsames Printprodukt der Region Vorderland-Feldkirch beziehungsweise Walgau. Auf Vorderland.com kommt online ein Content Management System zum Einsatz, das es auch zulässt, einzelne Artikel auf Homepages einzelner Gemeinden auszuspielen.

Mit ImWalgau.at hat die Region einen eigenen Webauftritt, jedoch ohne tagesaktuelle Berichte. Die nur sporadisch verschränkten Kommunikationskanäle Webseite und Printprodukt haben wir als „Gemeindeblatt 2.0“ bezeichnet.

Wir gingen einen Schritt weiter und versuchten eine weitere Verzahnung bestehender und die Einbindung weiterer Kanäle als „Gemeindeblatt 3.0“: effizient, zukunftsfähig und für alle relevanten Zielgruppen tauglich.

Neues Erscheinungsbild für Vorderlander Gemeindeblatt

In der Region Vorderland sollte das Gemeindeblatt ein neues Erscheinungsbild erhalten. In einem agilen Prozess mit den Kommunikationsverantwortlichen und an der Produktion beteiligten Personen wurde die inhaltliche Struktur umgebaut, die Lesbarkeit verbessert und die Navigation im Blatt vereinfacht.

Der Aufbau ist magazinartig und startet mit einem Leitartikel und Berichten aus diversen Lebensbereichen, gefolgt von einem Gastkommentar. In der Mitte lassen sich ein Veranstaltungskalender und ein Rezept- oder Wandertipp heraustrennen.

Danach folgen Ankündigungen durch Vereine und Glaubensgemeinschaften, ein Amtlicher Teil, Spenderlisten, Kleinanzeigen und Inserate. Letztere haben in beiden Regionen einen hohen Stellenwert, dabei deren Einschaltungen die Druckkosten wesentlich mitgetragen werden.

Nach einigen Experimenten mit Symbolen haben wir uns für eine Navigation im Blatt mit Hashtags entschieden, auch bei der Schriftwahl konnten wir Platz gewinnen und gleichzeitig die Lesefreundlichkeit erhöhen. Mit etwas mehr Weißraum auf einzelnen Seiten und achtsamer Papierwahl gelang eine werthaltige Anmutung.

Inhalte für Online-Medien im Walgau

In der Region Walgau eröffnete sich leider kein Spielraum für eine Neuausrichtung des Walgaublattes mit dem herausgebenden Regionalzeitungsverlag, dem wir einen Gestaltungsvorschlag unterbreiteten.

Wir konzentrierten uns daher dort auf Maßnahmen, um qualitätvolle Inhalte mit Bürgern und Bürgerinnen für Online-Medien zu generieren.

In der Gemeinde Frastanz suchten und fanden wir eine Handvoll Personen, die gerne schreiben und fotografieren. Diese erhielten in mehreren Workshops eine Weiterbildung zur Textgestaltung, Fototechniken und Videoproduktion mit dem Smartphone. So entstanden attraktive Berichte über das Gemeindegeschehen, die über Homepages und Soziale Medien geteilt worden sind. Um nun auch Inhalte, die tagtäglich von Menschen in der Region gepostet werden, auch sichtbar zu machen, etablierten wir eine Hashtagkultur für die Gemeindekommunikation. 

Hashtags auf den Gehsteigen

Quasi als Bewusstseinskampagne wurden in einzelnen Gemeinden mit Schablonen und Kreidespray die entsprechenden Hashtags auf den Gehsteigen angebracht.

In begleitenden Artikeln empfahlen wir, den Namen der Region sowie der Gemeinde jeweils bei einem Posting in sozialen Medien per Hashtag mit anzugeben. Begleitend dazu fand in der Region Vorderland auch ein Workshop mit 50 Vertreterinnen und Vertretern aus ortsansässigen Vereinen statt. Auch hier wurde auf die Verwendung von Hashtags in Postings hingewiesen.

Über eine Social Media Wall sammelten wir entsprechend gekennzeichnete Posts wieder ein und machten diese auf den Homepages der Regionen und einiger Gemeinden sichtbar. Wir waren von der hohen Qualität der Beiträge positiv überrascht. Der Moderationsaufwand beschränkt sich auf wenige Minuten pro Tag, um Highlights über Aktivitäten in den Gemeinden hervorzuheben und kommerzielle Postings auszublenden. 

Die Projektergebnisse sind auf einer Webseite dokumentiert, wobei sich einige Überlegungen und Empfehlungen auch auf andere Regionen und Gemeinden übertragen lassen. Letztlich braucht es aber immer einen Prozess, um Vertrauen für eine Weiterentwicklung der Kommunikationsstrategie zunächst aufzubauen und Mut zu neuen Lösungen ausprobieren zu können.