Die Vorteile niedriger Zinsen werden oft dadurch getrübt, dass die Banken sie nicht weitergeben.
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Update Negativzinsen für Gemeinden

Negative Zinsindikatoren beschäftigen die Gemeinden in Österreich auch im neuen Jahrzehnt und existieren in der Regel bereits seit März 2015. Das schlägt sich sowohl auf der Habenseite bei Guthaben als auch auf der Sollseite bei variablen Finanzierungen im Haushalt der Gemeinden nieder.

Insgesamt führt die bereits lang andauernde Niedrigzinsphase zu einer deutlichen Entlastung für die Öffentliche Hand inklusive der Republik Österreich. Diese für Gemeinden und ihre Unternehmungen grundsätzlich günstige Situation wird leider dadurch getrübt, dass die Vorteile der niedrigen bzw. negativen Zinsen (nachfolgend „Negativzinsen“) vielfach nicht an die Gemeinden weitergegeben werden.

Erste Urteile liegen vor

Ausgangspunkt für eine Beurteilung der Thematik ist in der Regel die vorhandene Vertragssituation bei den variabel verzinsten Kommunalfinanzierungen (bei bestehenden Finanzierungen mit Fixverzinsung spielt ein negativer Indikator keine Rolle).

Bei sogenannten „Altverträgen“ ist keine Zinsuntergrenze im Kreditvertrag vereinbart. Dies führt --im Falle der Nichtweitergabe des negativen Indikators-- durchaus zu einer positiven Ausgangssituation für die Gemeinden hinsichtlich Lösungsansätze.

Anders sieht es zumindest derzeit bei „Neuverträgen“ aus, wo ab den Jahren 2013/14 im Kreditvertrag oft eine Zinsuntergrenze in unterschiedlichster Ausprägungsform beidseitig vereinbart worden ist. Wenngleich man auch bei Neuverträgen gewisse Maßnahmen setzen soll, liegt in diesem Fall aus dem Bereich Unternehmensfinanzierung (Immobilien) ein erstes Urteil des Obersten Gerichtshofs zugunsten der Bank vor. Dieses Urteil kann aber aus meiner Sicht nur eingeschränkt für Gemeinden übernommen werden.

Es sollte damit der Schwerpunkt auf die Altverträge ohne Zinsuntergrenze gelegt werden, wo in der Vergangenheit auch bereits einige Klagen gegen Banken eingebracht worden sind. Die erstinstanzlichen Urteile sind zuletzt regelmäßig zugunsten der Kreditnehmer entschieden worden. Letztinstanzliche Urteile bei dieser Vertragssituation sind zumindest mir nicht bekannt.

In der Praxis trifft man auf unterschiedlichste rechtliche Ausgangssituationen, die es im individuellen Fall zu berücksichtigen gilt. Es ist daher davon auszugehen, dass die vorliegenden Urteile derzeit keine Klarheit zur rechtlichen Gesamtsituation schaffen werden und auch nicht können. Den betroffenen Kreditnehmern wird somit ein individuelles Einschreiten letztendlich nicht erspart bleiben, sodass sowohl die Kreditnehmer als auch die Banken weiterhin Lösungen im Vergleichswege anstreben. 

Sorgfaltspflichten und Erstanalyse

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass Gemeinden (wie auch Banken) und deren Funktionsträger einer allgemeinen Sorgfaltspflicht unterliegen und letztendlich für ihr Handeln und Tun verantwortlich sind. Dies betrifft somit auch die Thematik der (Nicht)Weitergabe von negativen Zinsindikatoren, was auch zusehends von Kontrollorganen einer ex post Evaluierung unterzogen werden wird.

Zu diesem Zweck sollten sich die Gemeinden im Rahmen einer Erstanalyse einen kompakten Überblick verschaffen, ob sie davon nachteilig betroffen sind und um welche (Schadens-)Beträge es sich handelt. Nach Beurteilung von einigen hundert kommunalen Rechnungsabschlüssen getraue ich mir die These aufzustellen, dass österreichische Gemeinden auf alle Fälle mit einem höheren zweistelligen Millionenbetrag davon betroffen sind.

Interessanterweise habe ich auch festgestellt, dass zumindest zwei große Häuser im Bereich Kommunalfinanzierung neben einigen kleineren Regionalbanken bei Altverträgen ohne Zinsuntergrenze den negativen Referenzzinssatz von Anfang an weitergegeben haben und diesen auch weiterhin bis zur Höhe eines absoluten Zinssatzes von mindestens null Prozent weitergeben. Diese ungleiche Vorgangsweise führt bei den Gemeinden zu weiteren Fragen und einem Gefühl eventueller nachteiliger bzw. unfairer Behandlung.

In der Folge spielen auch Verjährungsfristen und Verjährungsverzichte eine Rolle, da im vorliegenden Fall nach Auskunft eine verkürzte Verjährungsfrist von drei Jahren besteht. Somit können laufend neue Zinsperioden verjähren. Auch diese Situation ist für die Gemeinden manchmal nicht leicht verständlich.

Darüber hinaus kann die Erstanalyse auch einer Prüfung dienen, ob die Finanzierungen hinsichtlich der Zinssätze generell marktüblich gestaltet sind bzw. ob ein etwaiger Handlungsbedarf besteht. Auf dieser Basis können die Gemeinde und ihre Organträger auch ihre rechtliche Position absichern.

Vergleichslösungen durch Beiziehung von sachverständigen Experten

Nachdem ein Erstergebnis vorliegt und die Gemeinde eventuell durch die Nichtweitergabe negativer Zinsindikatoren nachteilig betroffen ist, sollte man sich über die Aufarbeitung Gedanken machen. Dies kann entweder durch die Gemeinde alleine oder im Rahmen der Beiziehung externer Spezialisten erfolgen. Ich durfte in den letzten Monaten bereits eine Vielzahl von Gemeinden bei individuellen Vergleichen im Verhandlungsweg begleiten.

Bei den wirtschaftlichen Ergebnissen sollte neben dem historischen Schaden auch die „Einbeziehung des Zukunftswertes in die Schadensbetrachtung“ berücksichtigt werden (beim historischen Schaden handelt es sich um jenen Betrag, den die Bank seit Erreichen der negativen Werte der Zinsindikatoren bisher zu viel verrechnet hat). Durch die Einbeziehung des Zukunftswertes können Vergleichslösungen erzielt werden, die deutlich über dem historischen Schaden liegen.

Ermöglicht wird dies durch eine finanzmathematisch korrekte Bewertung der von der Bank eingezogenen Zinsuntergrenze. Dadurch lässt sich ausmessen, welchen Wert die von der Bank beanspruchte Zinsuntergrenze eigentlich hat und es findet in die Schadensberechnung eine Zukunftstangente Einzug, der aufgrund der jüngsten Zinsentwicklung noch mehr Bedeutung zukommt. Dieser zukunftsbezogene Wert ist regelmäßig erstaunlich hoch. Die erzielten Vergleichslösungen können damit deutlich über dem historischen Schaden liegen. 

… führen zu attraktiven Lösungen

Neben der Rückzahlung von zu viel bezahlten Zinsen und der Anerkennung des negativen Indikators für die zukünftigen Zinsabrechnungen gibt es auch Lösungen, bei denen die Konditionen bestehender Finanzierungen zukünftig deutlich gesenkt werden können und der Vertrag für die Zukunft rechtssicher festgeschrieben wird. Damit sollte für die Gemeinden ein nachhaltiges Ergebnis sichergestellt werden. Solche vorausschauenden, rechtssicheren Lösungen sind auch deswegen sinnvoll, da nicht auszuschließen ist, dass der Bankensektor auf die für die Banken negativen Urteile letztlich mit einer marktweiten Erhöhung der Kreditaufschläge reagieren wird.

Alternativ stellt auch eine Umschuldung bei Krediten, die über dem Markt liegende Kosten verursachen, ein probates Mittel zur Lösung der Thematik dar. Neben dem Weg der klassischen Ausschreibung werden zukünftig auch digitale Finanzierungsplattformen für Gemeinden an Bedeutung gewinnen.

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