Die österreichischen Banken wissen, dass sie das Thema Negativzinsen lösen müssen und die Kunden/Gemeinden in einer sehr guten Rechtsposition sind.
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Negativzinsen: Für sein Recht muss man kämpfen

Freiwilliges Entgegenkommen ist in der Bankenpraxis ein seltenes Gut geworden. Die reflexartige Ablehnung von Ansprüchen ist ein unternehmerisches Kalkül. Aber auch Kunden können sich organisieren und damit erfolgreich sein, ihre Ansprüche effizient durchzusetzen.

Das Thema „Negativzinsen“ hat in der jüngeren Vergangenheit mehrfach die Gerichte beschäftigt. Grundtenor der ergangenen Entscheidungen ist, dass die Negativzinsen für die Vergangenheit gegenüber Gemeinden zu erstatten und bei den zukünftigen Berechnungen zu berücksichtigen sind, wobei im Einzelfall die Vertragslage zu prüfen ist. Während die Rechtslage für Verträge, die vor 2013/2014 ohne sogenannte Floorklausel abgeschlossen wurden, mittlerweile geklärt erscheint, ist bei jüngeren Verträgen mit Floor­klausel eine individuelle Prüfung der Wirksamkeit geboten.

Was bedeuten die in der Judikatur entwickelten Grundsätze zum Thema „Negativzinsen“ aber in der Praxis für Gemeinden?

  • Gemeinden (Gleiches gilt für Unternehmer/Kommunale Gesellschaften), die gegenüber der Bank zu Recht darauf beharren, Negativzinsen für die Vergangenheit erstattet zu erhalten (und die Negativzinsen bei den künftigen Kreditabrechnungen zu berücksichtigen), wird zunächst typischerweise entgegengehalten, dass die vom OGH entwickelten Prinzipien bei „Unternehmerkreditverträgen“ nicht zur Anwendung kämen. Diese Position ist unrichtig.

    Vor allem das Prinzip der „zweiseitigen Wirkung“ von Zinsanpassungsklauseln judiziert der OGH seit Jahren in ständiger Rechtsprechung auch für Unternehmerkredit- und Leasingverträge. Ist in Verträgen keine Floor­klausel festgelegt, hat die Bank laut Stand der Rechtsprechung jedenfalls die Negativzinsen für die Vergangenheit zu erstatten und bei den zukünftigen Abrechnungen auf den Aufschlag anzurechnen.

     
  • Enthält ein Kreditvertrag eine sogenannte Floorklausel (wie etwa sinngemäß „der EURIBOR wird mit mindestens null festgelegt“), ist zu prüfen, ob diese Klausel tatsächlich vertraglich wirksam ist. Ein sogenannter Mindestzins kann laut OGH zwar individuell vereinbart werden, dazu müssen aber tatsächlich Verhandlungen hierüber stattgefunden haben und muss die Bank z. B. auch erkennbar bereit gewesen sein, von einer vorgeschlagenen Floorklausel abzugehen. Außerdem muss der „Mindestzins“ vertraglich transparent geregelt sein. Wird die Mindestzinsklausel im Wege der allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. in Kreditvertragsformblättern (was regelmäßig der Fall ist) festgelegt, ist von einer Unwirksamkeit auszugehen, soweit dem Mindestzins kein Höchstzins gegenübersteht, die Klausel also nicht zweiseitig wirkt.

     
  • Dieser Grundsatz der „Zweiseitigkeit“ gilt auch für die Anpassung der Aufschläge. In vielen Kreditverträgen finden sich Regelungen, die der Bank eine Anpassung des Aufschlags auf den Indikator ermöglichen. Es kann zwar zulässig sein, den Aufschlag zu erhöhen (z. B. wenn sich die Kosten der Bank erhöht haben), umgekehrt müssen aber auch Senkungen der Kosten an den Kunden weitergegeben werden. Die praktische Erfahrung zeigt, dass es relativ rasch zu Erhöhungen seitens der Bank kommt, Senkungen jedoch nicht oder nur auf erhebliches Drängen des Kunden weitergegeben werden. Vielen Gemeinden ist nicht bewusst, dass ein durchsetzbares Recht auf Senkung der Aufschläge besteht.

Mit der „Gruppenintervention Zinsen“ ist es in den letzten zwei Jahren gelungen, für sehr viele österreichische Gemeinden (und Unternehmer) Ansprüche durchzusetzen. Dabei wurden z. B. nach folgendem Muster Regelungen erzielt: Die zu viel bezahlten Zinsen für die Vergangenheit wurden zu einem hohen Teil der Gemeinde gutgeschrieben und für die zukünftigen Zinsperioden ein attraktives Paket mit Senkung des Aufschlags und Fixierung der Zinsen auf zukünftige Perioden zu einem besonders günstigen Zinssatz geschnürt.

Die Banken spielen beim Thema Negativzinsen tendenziell auf Zeit und versuchen sich zunutze zu machen, dass die Ansprüche laut OGH prinzipiell innerhalb von drei Jahren verjähren. Das bedeutet zwar nicht, dass der Kunde bei bisherigem Zuwarten alle Ansprüche verliert oder verloren hat, zumindest für die Vergangenheit können aber regelmäßig nur Rückforderungsansprüche für die letzten drei Jahre geltend gemacht werden.

Banken wissen, dass Kunden in einer guten Position sind

Unserer Erfahrung nach wissen die österreichischen Banken, dass sie das Thema Negativzinsen lösen müssen und die Gemeinden in einer sehr guten Rechtsposition sind.

Sie nützen aber aus, dass manche Kunden sehr zurückhaltend sind und davor zurückschrecken, den Klagsweg zu beschreiten. Um für die Verhandlungen Zeit zu gewinnen, geben die österreichischen Banken über Aufforderung typischerweise einen Verjährungsverzicht ab, der aber nur sinnvoll ist, wenn die Bank dann tatsächlich zu ernsten Verhandlungen bereit ist.

Umgekehrt muss auch der Kunde zum Ausdruck bringen, dass er nötigenfalls auch den Weg der Klage beschreitet. Denn nur dann werden die Ansprüche auch wirklich ernst genommen. Prinzipiell trifft die Gemeinde und deren Organe eine Handlungspflicht, bestehende Ansprüche durchzusetzen und vor der Verjährung zu sichern. Die Untätigkeit kann daher eine Haftung der Organträger nach sich ziehen.

Praktisch sektorübergreifend sind die Banken mittlerweile bereit, angesichts anwaltlicher Aufforderung den Gemeinden konstruktive Vorschläge für eine Kompensation zu unterbreiten. Im Einzelfall ist aber natürlich zu prüfen, ob der Vorschlag tatsächlich eine Kompensation bewirkt. Manch ein „Vorschlag“ entpuppt sich bei genauerer Sichtung als Anpassung auf das allgemeine Marktniveau ohne jede Kompensation.

Erste Bank und Sparkassen verfolgen eine eigene Linie

Ein wichtiger Punkt zur an sich positiven Entwicklung für die Gemeinden bleibt aber anzumerken: Die Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG (wie auch andere Banken aus dem Sparkassensektor) verfolgt bedauerlicherweise überwiegend eine eigene Linie und erklärt gegenüber Gemeinden praktisch durchgehend, zu keinen Zugeständnissen bereit zu sein und auch keine Verjährungsverzichte abzugeben. Damit sollen die Gemeinden mit den Ansprüchen in die Verjährung gedrängt werden. Diese Haltung ist für uns unverständlich, weil die Erste Bank faktisch dieselben Vertragsmuster verwendet hat wie auch die anderen Banken.

Es ist objektiv nicht nachvollziehbar, inwiefern diese Verträge rechtlich anders zu behandeln sein sollen. Daher haben wir zuletzt eine eigene Zinsen-Interventionsgruppe Erste Bank/Sparkassen gebildet. Denn auch Kunden können sich organisieren, soweit ein Marktteilnehmer meint - aus welchen Überlegungen immer – nicht konsensorientiert vorgehen zu müssen. 

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