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Fehlende Digitalisierung kann in ländlichen Regionen dazu führen, dass die bereits durch Defizite bei Urbanität, Zentralität, Wirtschaftswachstum sowie Dienstleistungs- und Daseinsvorsorge-Angeboten bestehende Nachteile in ländlichen Räume noch verstärkt werden.
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Ländlicher Raum 4.0?

Schlagworte wie „Open Government“ oder „Industrie 4.0“ sind in aller Munde und fast jeder ist mittlerweile in sozialen Netzwerken wie Facebook und Instragram unterwegs. Auch wenn viele Menschen mobiles Internet unterwegs über das Handy nutzen, so ist die zentrale Voraussetzung für die Internetnutzung für die meisten ein Breitbandanschluss zu Hause.

Im Jahr 2018 verfügten 88 Prozent der österreichischen Haushalte über einen Breitbandanschluss. Damit lag Österreich zwar über dem Durchschnitt der 28 EU-Staaten von 86 Prozent, jedoch deutlich hinter den Spitzenreitern Niederlande (97 Prozent) und Luxemburg (93 Prozent). 

Digitalisierung als Chance und Herausforderung für Politik und Gesellschaft 

Die Digitalisierung – verstanden als die Verbreitung von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), insbesondere des Internets – hat Gesellschaft, Politik und Wirtschaft bereits deutlich verändert. Für die österreichische Politik ist sie Chance und Herausforderung zugleich. Nicht nur auf nationaler Ebene wurden seit 2008 unterschiedliche Agenden und Initiativen beschlossen, auch fast alle Bundesländer haben mittlerweile Digitalisierungs- und/oder Breitbandstrategien erarbeitet. 

Der „spatial digital divide“: Stadt-Land-Unterschiede bei der Digitalisierung

Politische Dokumente, wirtschaftliche Initiativen und wissenschaftliche Studien haben in vielen europäischen Ländern eines gemeinsam: Sie diagnostizieren dauerhafte und teilweise sogar wachsende Unterschiede in der Digitalisierung zwischen Stadt und Land. Häufig wird in diesem Zusammenhang von einem „spatial digital divide“ [1] oder von einem „digital divide“ zwischen Stadt und Land [2,3] gesprochen.

Fehlende Digitalisierung kann in ländlichen Regionen dazu führen, dass die bereits durch Defizite bei Urbanität, Zentralität, Wirtschaftswachstum sowie Dienstleistungs- und Daseinsvorsorge-Angeboten bestehende Nachteile in ländlichen Räume noch verstärkt werden. 

Umgekehrt gilt die Digitalisierung – insbesondere die Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen mit Hochgeschwindigkeitsinternet – für ländliche Räume oftmals als „Allheilmittel“. Ihr werden umfassende Potenziale zugeschrieben, die den klassischen Problemen der ländlichen Räume wie Abwanderung, Überalterung und schwacher Regionalwirtschaft entgegenwirken sollen. Besonders zentral sind gut ausgebaute digitale Infrastrukturen für die Ansiedlung und die Tätigkeiten von Unternehmen. Für sie können ländliche Räume in Kombination mit niedrigen Boden- und/oder Mietpreise dann attraktive Standorte werden. 

Breitbandanschlüsse können ländliche Räume auch als Wohn- und Arbeitsorte attraktiver machen, wenn beispielweise dort nicht verfügbare Produkte und Dienstleistungen über das Internet erworben werden können oder ArbeitnehmerInnen durch Telearbeit räumlich unabhängiger arbeiten können.

Weiters kann die Digitalisierung die Angebote der Daseinsvorsorge für die AnwohnerInnen in den Bereichen Verwaltung, Nahversorgung, Medizin, Pflege, Bildung oder Mobilität im ländlichen Raum verbessern. Hierfür existieren bereits einige Beispiele wie digitale Bürgerservices, digitale Vermarktungsplattformen für Regionalprodukte, die digitale Vernetzung von ärztlichen und pflegerischen Diensten mit Betroffenen, E-Learning-Möglichkeiten oder verkehrsmittelübergreifende Mobilitätsplattformen.

Angebot von und Nachfrage nach Digitalisierung

Die Digitalisierung in ländlichen Räumen kann sowohl aus der Angebots- als auch aus der Nachfrageperspektive analysiert werden: Der infrastruktur-orientierte Zugang bezieht sich auf die technische Ausstattung und die Veränderungen der Infrastruktur, wie beispielsweise dem Breitbandzugang von Regionen, Orten oder Haushalten. Ergänzt wird dieser durch eine BenutzerInnen-orientierte Betrachtung, die beispielsweise die Internetnutzung in Regionen, Orten oder Haushalten oder durch Individuen und ihre Veränderung untersucht.

Beide Perspektiven der Digitalisierung lassen sich für Österreich auf Basis der Eurostat-Datenbank und des ÖROK-Atlas Raumbeobachtung betrachten und geben Aufschluss über etwaige Unterschiede zwischen städtischen, intermediären und ländlichen Regionen (entsprechend der Urban-Rural-Typologie der EU-Kommission).

Kaum Unterschiede bei Verfügbarkeit von Breitband zwischen Land und Stadt 

Betrachtet man das grundsätzliche Vorhandensein von Breitbandanschlüssen, so sind Land und Stadt in Österreich ähnlich gut versorgt: Im Jahr 2018 verfügten in ländlichen Regionen 87 Prozent der Haushalte über Breitbandanschlüsse. Sie sind damit genau so gut ausgestattet wie kleine Städte und Vororte, in denen ebenfalls 87 Prozent der Haushalte über Breitbandanschlüsse verfügten. In städtischen Gebieten waren mit 89 Prozent nur etwas mehr Haushalte an das Breitbandnetz angeschlossen. 

Haushalte mit Breitbandanschluss
Quelle: Eurostat, Angaben in Prozent. Grafik: Andrea Tony Hermann.

Im europäischen Vergleich lagen die ländlichen Regionen in Österreich mit 87 Prozent der Haushalte mit Breitbandanschluss um sechs Prozentpunkte über dem Durchschnitt der ländlichen Räume in allen EU-Mitgliedstaaten (81 Prozent). Allerdings lag die Breitbandabdeckung im ländlichen Raum in Österreich deutlich hinter den EU-Spitzenreitern Niederlande mit 97 Prozent und Luxemburg mit 93 Prozent.

Ländliche Räume in Österreich scheinen also im europäischen Vergleich noch Aufholbedarf zu haben. Die Versorgung mit Breitbandanschlüssen hat sich in den letzten Jahren aber verbessert: Waren im Jahr 2012 noch dreiviertel der Haushalte mit Breitbandanschlüssen versorgt, so steigerte sich diese Zahl in den Folgejahren 2013 und 2014 leicht auf jeweils 78 Prozent. Ab 2016 waren mehr als 80 Prozent der Haushalte auf dem Land mit Breitbandanschlüssen versorgt. In den Jahren 2017 und 2018 beläuft sich der Wert auf 88 bzw. 87 Prozent. Somit waren über zehn Prozent mehr Haushalte im ländlichen Raum an Breitbandinternet angeschlossen als noch sechs Jahre zuvor. 

Entwicklung der Haushalte mit Breitbandanschluss
Quelle: Eurostat, Angaben in Prozent. Grafik: Andrea Tony Hermann.

Periphere Regionen und Grenzräume liegen bei Hochleistungsinternet zurück

Auch wenn sich die grundsätzliche Versorgung mit Breitbandanschlüssen zwischen Land und Stadt nicht allzu sehr abweicht, zeigen sich doch deutliche Unterschiede bei den verfügbaren Geschwindigkeiten. Eine Datenübertragungsrate von 10 Mbit/s gilt für die grundlegende private Internetnutzung durch Surfen, E-Mail-Korrespondenzen oder gelegentlichen Video-Konsum als ausreichend. Diese Geschwindigkeit ist in nahezu allen Landesteilen Österreichs verfügbar. Lediglich die Oststeiermark verfügt nur über eine Abdeckung von 55 Prozent der Wohnsitze mit 10 Mbit/s

Wenn Sie jedoch über das Internet fernsehen, Online-Spiele spielen möchten oder das Internet für ihr Gewerbe nutzen, dann benötigen Sie deutlich höhere Übertragsungsgeschwindigkeiten von 50 Mbit/s und mehr. Betrachtet man die mit einer Datenübertragungsrate von mehr als 100 Mbit/s versorgten Wohnsitze, zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Land und Stadt sowie zwischen den ländlichen Regionen selbst.

Während 2016 in Wien und der Region Linz-Wels mehr als 80 Prozent bzw. mehr als 70 Prozent der versorgten Wohnsitze über diese hohe Breitbandgeschwindigkeit verfügten, wies nur das Nordburgenland eine mehr als 80 prozentige Versorgungsquote auf. Insbesondere periphere Regionen und Grenzräume waren nur in geringem Umfang mit dem Hochleistungsinternet versorgt. In den Regionen Waldviertel, Oststeiermark, Oberkärnten, Osttirol, Tiroler Oberland, Pinzgau-Pongau, Liezen und Lungau waren 2016 sogar weniger als 2 Prozent der Wohnsitze mit mehr als 100 Mbit/s Breitbandgeschwindigkeit ausgestattet.

Land liegt bei täglicher Nutzung des Internets deutlich hinter Städten 

Die Daten zur bestehenden Infrastruktur sagen jedoch noch wenig über die tatsächliche Nutzung des Internets im ländlichen Raum aus. Die Eurostat-Daten zeigen, dass sich gerade die tägliche Internetnutzung in Österreich zwischen ländlichen und städtischen Gebieten stark unterscheidet. 

Auf dem Land nutzten im Jahr 2018 72 Prozent der Befragten täglich das Internet. Dieser Wert liegt um fast zehn Prozentpunkte niedriger als in den österreichischen Städten, wo 81 Prozent der Befragten täglich auf das Internet zugriffen. Im Mittelfeld positionieren sich Kleinstädte und Vororte mit einer täglichen Internetnutzung durch 75 Prozent der Befragten. 

Tägliche Internetnutzung in Österreich
Quelle: Eurostat, Angaben in Prozent. Grafik: Andrea Tony Hermann.

In der EU (EU-28) nutzten in ländlichen Räumen 69 Prozent der Befragten täglich das Internet und damit wengier Menschen als in Österreich. Allerdings liegt Österreich auch bei der Nutzung deutlich hinter den Spitzenwerten aus anderen EU-Staaten zurück. In Dänemark und den Niederlanden griffen im Jahr 2018 90 bzw. 88 Prozent der Befragten aus ländlichen Regionen täglich auf das Internet zu.  

Auch wenn Österreich nicht dieses Spitzenniveau erreicht, hat sich die tägliche Internetnutzung auf dem Land in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert. Während in den Jahren 2012 und 2013 lediglich 55 Prozent der Befragten im ländlichen Raum angaben, das Internet täglich zu nutzen, so waren es in den kommenden Jahren bereits 58 Prozent (2014), 61 Prozent (2015), 66 Prozent (2016) und 67 Prozent (2017). Somit gaben im Jahr 2018 mit 72 Prozent der Befragten im ländlichen Raum 17 Prozent mehr als 2012 an, dass sie täglich auf das Internet zugreifen.

Tägliche Internetnutzung im ländlichen Raum
Quelle: Eurostat, Angaben in Prozent. Grafik: Andrea Tony Hermann

Nutzungskompetenzen stärken

Sowohl die Infrastruktur als auch die Nutzung digitaler Technologien hat sich auf dem Land in Österreich in den vergangenen Jahren verbessert. Trotzdem ist im europäischen Vergleich durchaus noch „Luft nach oben“. Dies mag aber zumindest teilweise auch auf die geographischen Gegebenheiten und die Bevölkerungsverteilung in Österreich zurückzuführen sein. 

Auch wenn vereinzelte Studien auf die Risiken, wie die Schwächung der regionalen oder lokalen Wirtschaft hinweisen, birgt die Digitalisierung große Entwicklungspotenziale für ländliche Gebiete, vor allem für periphere Regionen und Grenzräume. Zentral ist hierbei aber nicht ausschließlich der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Es wird zukünftig auch wichtig sein, Maßnahmen zu ergreifen, die die dort lebenden Menschen dazu zu bringen, digitale Infrastrukturen für Beruf und Privatleben zu nutzen und sie auch dafür zu schulen. 

Die Nutzungskompetenzen werden eine zentrale Rolle spielen, um die digitalen Potenziale im ländlichen Raum ausschöpfen zu können. So zeigen Studien, dass gerade ältere Bevölkerungsgruppen – insbesondere jene über 65 Jahre – die digitale Technologien im Allgemeinen wesentlich seltener nutzen als jüngere Bevölkerungsgruppen und daher im Umgang mit digitalen Technologien grundsätzlich nicht so vertraut sind wie jüngere Bevölkerungsschichten. Da aber gerade ältere Menschen häufiger in ländlichen Regionen leben, würden sie beispielsweise von digitalen Angeboten der Daseinsvorsorge besonders profitieren.

Die Gestaltung der Digialisierung auf dem Land bleibt weiterhin eine zentrale und vielschichtige Aufgabe bei der es nicht ausschließlich um wirtschaftliche Teilhabe, sondern auch um die Sicherstellung gesellschaftlicher, politischer und kultureller Partizipation geht und gehen wird.  

Literatur

[1] Salemink K, Strijker D, Bosworth G (2015) Rural development in the digital age. A systematic literature review on unequal ICT availability, adoption, and use in rural areas. Journal of Rural Studies.

[2] LaRose R, Gregg J L, Stocer S, Staubhaar J (2011) The impact of rural broadband development. Lessons from a natural field experiment. Government Information Quarterly 28/1: 91–100.

[3] Townsend L, Sathiaseelan A, Fairhust G, Wallace C (2013) Enhanced broadband access as a solution to the social and economic problems of the rural digital divide. Local Economy 28/6: 580–595.

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