Walter Leiss
Gemeindebund-Generalsekretär Walter Leiss: „Der Bürgermeister als Baubehörde hat eine Genehmigung zu erteilen, wenn das Vorhaben dem Gesetz entspricht. Würde er sie nicht erteilen, würde er sich des Amtsmissbrauchs schuldig machen.“

Sind die Bürgermeister an allem schuld?

Steigender Bodenverbrauch durch willkürliche und unkoordinierte Planung, die Probleme mit den Zweitwohnsitzern, Leerstand in den Ortszentren, nicht leistbarer Wohnraum für die Einheimischen: alles Probleme, für die die Bürgermeister die alleinige Schuld tragen. So wird es immer wieder medial getrommelt und schön langsam glauben das auch die Bürger und Bürgerinnen. Wir sind „Europameister im Zubetonieren“ titelte jüngst der „Kurier“.

Kann man sich Genehmigungen kaufen, fragen Bürger in der TV-Sendung „Am Schauplatz“. Wieso können Ausländer Wohnungen, Häuser oder Chalets kaufen, die sich Einheimische nicht leisten können? Wieso steigen die Wohnungskosten, werden Shoppingcenter errichtet – wo zwar viele einkaufen –, die aber so verteufelt werden, und wieso gibt es Leerstand und veröden die Ortszentren?

Richtig mag wohl sein, dass wir im europäischen Vergleich pro Kopf hohe Verkaufsflächen und Verkehrsflächen haben und dass viele wohlhabende EU-Bürger gerne in Österreich Grundstücke, Häuser oder Wohnungen erwerben, aber sind dafür die Bürgermeister verantwortlich?

Entscheidungen der Gemeinde fallen nicht willkürlich

Die Gemeinden sind zwar für die Flächenwidmung und die Baugenehmigungen zuständig, aber die Entscheidungen fallen ja nicht willkürlich, sondern es gibt Gesetze, die vollzogen werden müssen. Zuständig für die Flächenwidmung ist der Gemeinderat, und diese Verordnung bedarf der Genehmigung durch die Landesregierung.

Keine Flächenwidmung der vergangenen 50 Jahre ist ohne Genehmigung und Einbindung der Länder erfolgt. Hier waren jeweils Raumplaner eingebunden, die damals offensichtlich nichts dagegen einzuwenden hatten. Jetzt ist ein Wandel in der Beurteilung eingetreten, die Gesetze und die Meinungen haben sich geändert.

Aber die Flächenwidmung lässt sich nicht so leicht zurückdrehen wie vielleicht andere Planungsmaßnahmen. Straßen, die vor 30 Jahren verbreitert wurden, werden jetzt wieder zurückgebaut. Flüsse, die begradigt und reguliert wurden, werden jetzt wieder renaturiert.  Dies lässt sich in der Flächenwidmung nicht so leicht bewerkstelligen. Grundstücke die, verbaut wurden, kann man nicht wieder in Grünland umwidmen. Und Baugenehmigungen sind zu erteilen, wenn die eingereichten Unterlagen den Baugesetzen entsprechen. Und wenn Grenzen z. B. für UVP-Pflichten nicht überschritten werden, sind derartigen Verfahren nicht durchzuführen.

Wenn ein Bauvorhaben dem Gesetz entspricht, muss es bewilligt werden

Dass Bauwerber sich an den Gesetzen orientieren und Planungen so verfassen, dass bestimmte Grenzen nicht überschritten werden, kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen. Das macht jeder Bauwerber auch, wenn es um die optimale Nutzung eines Bauplatzes geht. Und der Bürgermeister als Baubehörde hat eine Genehmigung zu erteilen, wenn das Vorhaben dem Gesetz entspricht. Würde er sie nicht erteilen, was viele Anrainer vielleicht wünschen, würde er sich des Amtsmissbrauchs schuldig machen. 

In der schon zitierten Sendung „Am Schauplatz“ vor einigen Wochen hat der Bürgermeister zutreffend auf die gestellten Fragen geantwortet, dass er heute eine Umwidmung in Bauland für ein geplantes Chalet-Dorf am Pass Thurn nicht mehr unterstützen würde. Aber die Widmung erfolgte vor zwanzig Jahren zu einer Zeit, als für den Oberpinzgau Investoren dringend gesucht wurden. Und dass die Bebauung erst zwanzig Jahre später erfolgt, ist nicht Schuld des Bürgermeisters. Über Instrumente zur Baulandmobilisierung wird zwar viel geredet, umgesetzt  sind sie noch nicht.

Für Neuwidmungen gibt es die Möglichkeiten, im Rahmen der Vertragsraumordnung eine Bebauungspflicht zu vereinbaren, aber sie hat keinen Einfluss auf die Grundstückspreise. Das reduziert zwar nicht den Verbrauch von Boden, aber sichert zumindest, dass gewidmetes Bauland auch genutzt wird. 

Mit jeder Umwidmung von Grünland in Bauland erfolgt eine enorme Wertsteigerung. Im Westen, wo Bauland besonders knapp ist, oder in den Städten ist die Wertsteigerung natürlich viel höher, als im Osten oder den Flächenbundesländern, besonders in den sogenannten Ungunstlagen.

Umwidmungen bedeuten Wertsteigerung

Ob Bauland zehn Euro oder 800 bis 1000 Euro kostet, macht einen Unterschied. Von der durch Umwidmung erfolgten Wertsteigerung hat die Gemeinde jedoch nichts, auch wenn das Gegenteil indirekt ausgesprochen und dunkle Geschäfte vermutet werden. Wenn dann diese Grundstücke von Investoren aufgekauft, bebaut und weiterveräußert werden, entzieht sich das dem Einfluss des Bürgermeisters und der Gemeinde.

Ob ein Haus als Zweitwohnsitz oder als Hauptwohnsitz genutzt wird, steht zum Zeitpunkt der Baubewilligung nicht fest und davon kann auch nicht die Erteilung der Baubewilligung abhängig gemacht werden. Ebenso wenig ist vorhersehbar ob ein Inländer oder ein EU-Ausländer die Liegenschaft oder ein Haus erwirbt. Verkaufen kann ja in der Regel nicht die Gemeinde, sondern der private Liegenschaftseigentümer.  

Steuernd kann man vielleicht bei Zweitwohnsitzern eingreifen, aber wenn sich ein EU-Bürger ein Haus oder eine Wohnung kauft und hier seinen Hauptwohnsitz begründet, greifen die Regeln nicht mehr. Will man hier steuernd eingreifen, so gäbe es nur die Möglichkeit, dass Widmungen nur dann erfolgen, wenn vorher das Grundstückseigentum an die Gemeinde übertragen wird. Die Gemeinde könnte die Grundstücke zu vertretbaren Preisen an die von ihr gewünschten Personen verkaufen. Die Umwidmungsgewinne würden dadurch sozialisiert.

Ob derartige Eingriffe gewünscht und durchsetzbar wären, steht auf einem anderen Blatt. Ebenso ist zu bezweifeln, ob dadurch Wohnen tatsächlich leistbarer werden würde. Denn nicht nur der Boden hat seinen Preis, sondern auch die Gebäude kosten eine Menge Geld. Dem Stand der Technik entsprechend, gut isoliert, mit einer ökologischen Heizung ausgestattet und gerüstet für das Smart-Home: all das kostet, auch im verdichteten Wohnbau, egal, ob er auf dem Land oder in der Stadt errichtet wird. 

Die Preisbildung wird in einer Marktwirtschaft immer vom Markt bestimmt. Und der Markt wird wesentlich von der Finanz- und Wirtschaftspolitik beeinflusst, und daran sind die Bürgermeister weder beteiligt noch Schuld. Und wie der Bürgermeister aus Mittersill schon richtig ausgeführt hat, wird es nicht gelingen, mit der Raum- und Bauordnung die Finanzpolitik der EZB zu verändern.