Energiesparen - Rad mit Energieklassen A bis G
Lokale, erneuerbare Energienetze sind im Vergleich mit den bekannten Energieversorgungssystemen wie z. B. Fernwärme oder Gas komplexer.
© Shutterstock/Olivier Le Moal

Gebäudeübergreifende Energiesysteme

Um den Klimawandel zu stoppen, wird es in den nächsten Jahren ein wichtiger Schritt sein, fossile Energieträger für Wärme, Strom und Kälte deutlich zu reduzieren. Politische Ambitionen, diese Veränderungen voranzutreiben, gibt es bereits. So strebt Österreich im Rahmen der Klima- und Energiestrategie der österreichischen Bundesregierung bis 2050 einen Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft an. In näherer Zukunft sind auch ein Verzicht auf fossile Energieträger im Neubau sowie eine Umstellung auf erneuerbare Energieträger im Gebäudebestand vorauszusehen.

Aus regulatorischer Sicht wurde für eine Stromversorgung aus erneuerbarer Energie bereits ein Schritt durch die Erneuerbare Energie Gemeinschaft (EEG) gesetzt. So kann erneuerbare Energie, welche innerhalb der EEG – auch grundstücksübergreifend – produziert wird, auch verbraucht, gespeichert und verkauft werden. Im Bereich Wärme- und Kälteversorgung ist die Umsetzung von Projekten mit lokalen, erneuerbaren Energieträgern vor allem organisatorisch etwas komplizierter, da diese bereits ab den frühesten Stadtentwicklungsphasen mitgetragen werden müssen und sie planerisch, baulich, rechtlich und auch ökonomisch wesentlich komplexer sind.

Warum lokale Wärme- und Kältenetze aus erneuerbaren Energieträgern?

Die aktuelle Klimaschutzpolitik treibt Gebäudekonzepte voran, die mit einem geringen Energieverbrauch auskommen und zur Beheizung der Gebäude ein geringes Temperaturniveau benötigen. Zusätzlich wird der Anteil an erneuerbaren Energieressourcen ausgebaut, was auch dazu führt, dass in Gebäuden integrierte Systeme vermehrt erneuerbare Energie produzieren, die idealerweise auch gleich vor Ort genutzt wird.

Das sind ideale Voraussetzungen für neue Wärme- und Kältenetze mit niedrigen Systemtemperaturen, die mit fluktuierenden Temperaturniveaus betrieben werden können. Vorteile dieses Konzeptes sind geringere Wärme- und Kälteverluste in den Verteilleitungen und die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energieträgern. Auch überregionale erneuerbare Energien können beispielsweise durch die Nutzung von Überschussenergie in der Stromproduktion (z. B. Wind-, Solarenergie) genutzt werden.

Wärme- und Kältenetz
Ein Wärme- und Kältenetz aus lokal verfügbaren, erneuerbaren Energieträgern, ist Bestandteil einer lebenswerten Stadt (IG Lebenszyklus Bau; 2018)

Ein lokales Wärme- und Kältenetz soll den Austausch von Energieressourcen ermöglichen, sodass der Anteil der zusätzlichen Energieaufbringung gering sein kann. Beispielsweise soll der Aufwand für Heizen und Kühlen über das Jahr möglichst ausgeglichen sein. So kann die Abwärme aus der Kühlung im Sommer für die Beheizung von Warmwasser oder die Raumheizung im Winter genutzt werden. Die saisonale Speicherung kann beispielsweise durch Erdwärmesonden oder große Wasserspeichersysteme erreicht werden. Zusätzlich sind Wärmepumpen erforderlich, um die notwendigen Vorlauftemperaturen im Gebäude gewährleisten zu können. So kann auch erneuerbar produzierter Strom genutzt werden. Bei einer „Schieflage“ der Bilanz zwischen Heizen und Kühlen kann beispielsweise durch solarthermische Anlagen oder Abwärme aus Produktionsprozessen die Bilanz ausgeglichen werden.

Welche Herausforderungen sind mit erneuerbaren Energieträgern verbunden?

Lokale, erneuerbare Energienetze sind im Vergleich mit den bekannten Energieversorgungssystemen wie z.B. Fernwärme oder Gas komplexer, und das gleich auf mehreren Ebenen:

  • Technisch: Im Vergleich zu zentralen Energieproduzenten gibt es viele dezentrale Anlagen, die miteinander vernetzt und oft zeitlich gestaffelt ins gemeinsame Netz integriert werden müssen.
  • Ökonomisch: Viele dezentrale Anlagen sind in der Anschaffung und Wartung teurer als eine große zentrale Anlage. Da jedoch keine Kosten für den Energieträger anfallen rechnen sich diese Systeme im Lebenszyklus betrachtet.
  • Rechtlich: Aufgrund der vielen einzelne Anlagen an unterschiedlichen Standorten ergeben sich zahlreiche rechtliche Herausforderungen allen voran sind Themen wie Eigentumsrechte und Servitute zu den Anlagen zu klären.
  • Organisatorisch: Beim Zusammenspiel der vielen verschiedenen Stakeholder mit ihren oft sehr unterschiedlichen Einzelinteressen ist es eine Herausforderung alle unter einem Hut zu bekommen. Besonders die Stadt bzw. Gemeinde und der Quartiersentwickler sind gefordert hier die Rahmenbedingungen genau vorzugeben und mit potenziellen Bauwerbern ein gemeinsames Ziel zu formulieren. Hilfreich ist es eine Instanz (einen „Kümmerer“) einzusetzen, der das Gesamtziel im Auge hat und als Dreh- und Angelpunkt zwischen allen Beteiligten als Organisator und Kommunikator fungiert. Auch der Betreiber von solchen lokalen Energienetzen spielt eine zentrale Rolle. Neue Geschäftsmodelle für die Energieversorgung werden entstehen um flexibel auf die Anforderungen dieser Netze zu reagieren.

Energienetze
Die technische Vernetzung einzelner Anlagen eines lokalen Wärme- und Kältenetzes (IG Lebenszyklus Bau; 2018)

Lokale, erneuerbare Energienetze bedeuten eine verstärkte Vernetzung

Für die Umsetzung lokaler, erneuerbarer Energienetze ist eine verstärkte Vernetzung nötig. Aus technischer Sicht müssen die einzelnen Gebäude gut miteinander kommunizieren können und zudem müssen die unterschiedlichen Stakeholder enger zusammen arbeiten als in Quartieren mit einem zentralen Energieversorger, bei dem die unterschiedlichen Bauträger nichts miteinander zu tun haben. Vor allem die Kommunen sind gefordert, Rahmenbedingungen vorzugeben, Anforderungen zu setzen oder den Prozess zu steuern, sodass verstärkt gebäudeübergreifende Wärme- und Kältenetze aus erneuerbaren Energieträgern realisiert werden können. „Ein „Kümmerer“, der die unterschiedlichen Stakeholder koordiniert und auf Track hält ist auch ein zentraler Dreh und Angelpunkt und oft ausschlaggebend für den Erfolg des Projektes.

Seit 2018 beschäftigt sich die IG Lebenszyklus Bau mit der Umsetzung von lokalen Wärme- und Kältenetzen aus erneuerbaren Energieträgern. Neben den Herausforderungen und Chancen solcher Systeme für relevante Stakeholder entwickelte die Arbeitsgruppe einen konkreten Ablaufplan für Stakeholder legte konkrete Schritte fest, um ein solches Energiesystem zu realisieren. Die wesentlichen Stakeholder im Leitfaden sind: Stadt/Gemeinde, Quartiersentwickler, Bauträger, Betreiber und die zentrale Rolle des Kümmerers, der verantwortlich für das Gesamtziel ist und die Koordination aller Beteiligten überhat.

Die Wärmewende hin zu lokal verfügbaren, ökologischen Energieträgern ist im Gange. Nun müssen sich die interessierten Stakeholder richtig aufstellen, um nicht den Anschluss zu versäumen.

9. Kongress der IG Lebenszyklus Bau

Beim Kongress der IG Lebenszyklus Bau „Gebäude und Umwelt im Wechselspiel“ am 7. November 2019 stehen neben erneuerbaren Energiesystemen auch Mobilität, Vernetzung und Verknappung, als zentrale Umweltfaktoren im steten Wechselspiel mit dem Gebäude, im Fokus.

Programm & Infos:

www.ig-lebenszyklus.at/kongress2019