Hilde Gaggl
Hilde Gaggl: „Wirklich schwierige Entscheidung hab’ ich eigentlich keine gehabt. Überhaupt keine. Weil ich in einem großen Familienbetrieb aufgewachsen bin und gewohnt war, Entscheidungen zu treffen.“
© Sissy Furgler

Comeback mit mehr Zeit

Hilde Gaggl ist in einer Krumpendorfer Tourismusfamilie aufgewachsen. Hotelbetrieb und Gastronomie waren ihr Alltag. Sie kennt ihre Heimatgemeinde durch und durch und erklärt deren ungewöhnliche Situation.

Velden, Pörtschach, Klagenfurt: klingende Namen von Orten, die man sofort mit dem Wörthersee verbindet. Zwischen den beiden Letztgenannten liegt allerdings noch ein Ort für den das gleiche gilt und der ebenso wie Klagenfurt den See im Namen trägt. Die Rede ist von Krumpendorf am Wörthersee.

Dieses Krumpendorf ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. So ist es mit nicht einmal 12 km² die kleinste Gemeinde Kärntens und eine der kleinsten in ganz Österreich. Gleichwohl ist es eine Zuzugsgemeinde – und das im abwanderungsgeplagten Kärnten wohlgemerkt. Verkehrstechnisch hervorragend erschlossen, ist Krumpendorf für Pendler hochattraktiv und die unmittelbare Nachbarschaft zu Klagenfurt trägt das ihrige dazu bei, dass viele gutsituierte Klagenfurter Krumpendorf als Wohnsitz wählen.

Luftbild von Krumpendorf
Krumpendorf aus der Vogelperspektive. Das Gemeindegebiet erstreckt sich über einen relativ schmalen Streifen am Seeufer, der bis über den Nohrenberg reicht. Autobahn und Eisenbahnlinie „zerschneiden“ das Gemeindegebiet. 

Inwieweit das die Tourismusgemeinde verändert hat und anhaltend prägt, erklärt eine, die es wissen muss: die Bürgermeisterin Hilde Gaggl. 

Gaggl kommt selbst aus einer Tourismusfamilie. Mit ihren fünf Brüdern ist sie im Alltag des elterlichen Bauernhofs und  Hotelbetriebs aufgewachsen. Doch auch das politische Engagement war ihr praktisch in die Wiege gelegt: „Mein Großvater war schon Bürgermeister in der Gemeinde Maria Wörth, und mein Vater war Vizebürgermeister in Krumpendorf. Ich habe schon von klein auf die ganzen Diskussionen immer mitbekommen“, verrät Gaggl.

Wollte nur auf hinterem Listenplatz kandidieren

Später, als junge Frau, hat sie Veranstaltungen in der Gemeinde (mit-)organisiert und wurde in der Frauenbewegung ziemlich aktiv. Als sie gefragt wurde, ob sie sich auf die Wahlliste für den Gemeinderat setzen lassen würde, sagte sie zu, aber erbat sich einen hinteren Listenplatz.

Die Absolute bei der Wahl bescherte ihr dennoch den Einzug in den Gemeinderat. Es sollte eine politische Karriere mit Bestand werden. Seit 1985 im Gemeinderat und seit 1996 Vizebürgermeisterin, wurde Hilde Gaggl 2002 schließlich selbst Bürgermeisterin, nachdem ihr Vorgänger aufhörte. Im Jahr darauf musste sich Gaggl gleich wieder der Wahl stellen.

Abwahl und Comeback

„Da bin ich gleich im ersten Wahlgang durchmarschiert“, erinnert sie sich. „Und dann bin ich bei der Direktwahl 2009, obwohl ich gedacht habe, ich wäre so erfolgreich, abgewählt worden. Daraufhin war ich kurz beleidigt, habe mir aber gedacht: Aufhören will ich nicht!“

Gaggl war fortan erste Vizebürgermeisterin, und machte weiter. „Inzwischen war ich in Pension und hatte dadurch viel mehr Zeit. Die Kinder waren mittlerweile auch außer Haus und erwachsen, und die Enkelkinder sind es auch schon bald. Ich mache es immer noch aus Freude an der Arbeit und weil ich einfach gern für die Menschen da bin; für die Jugend und die Senioren.“ Schließlich trat Gaggl neuerlich an und gab 2015 nach erfolgreicher Wahl ihr Comeback als Bürgermeisterin.

Schwierige Entscheidungen? Keine!

Über dreißig Jahre ist Gaggl mittlerweile in politischen Gemeindefunktionen tätig. Auf die Frage, welche ihre schwierigste Entscheidung währenddessen war, fällt ihr dennoch nur das kurze Zögern ein, ob sie nocheinmal antreten solle.

„Eine wirklich schwierige Entscheidung hab’ ich eigentlich keine gehabt. Überhaupt keine. Weil ich in einem großen Familienbetrieb aufgewachsen bin und gewohnt war, Entscheidungen zu treffen. Mein Vater hat mir schon mit 18 Jahren große Entscheidungen überlassen, etwa bei Investitionen. Wirtschaftliches Denken und Nachhaltigkeit stehen bei mir seit jeher im Vordergrund.“

Kleinste Gemeinde Kärntens ist beliebt

Angesprochen auf ihren Heimatort beschreibt Gaggl eine Situation, die doch sehr nach Gentrifizierung einer Landgemeinde klingt: „Wir sind eingebettet in den Wald auf der einen Seite  und den See auf der anderen. Westlich liegt Pörtschach, östlich die Landeshauptstadt Klagenfurt. Wir haben eine sehr gute Infrastruktur, eine direkte Anbindung durch Bahn, zwei Autobahnabfahrten und Radwege, über die man in zehn Minuten in der City ist. Der Nachteil: Unsere Grundstückspreise sind immens hoch. Wir sind die kleinste Gemeinde Kärntens und unsere Gründe sind sehr begehrt.“

Ein weiteres Problem ist der Lärm: „Die Lärmbelästigung durch Bahn und Autobahn ist nicht zu unterschätzen.“ Tatsächlich verlaufen beide längs durch das Gemeindegebiet und zerschneiden es quasi in drei Teile. „Trotzdem ist die Lebensqualität immens hoch“, stellt Gaggl klar. „Wir haben wunderschöne Seegründe, und wir haben ein Bad mit 21.000 m² Seegrund - ein wunderschönes Parkbad.“

Zwar ist das Seeufer auch in Krumpendorf größtenteils verbaut. „Seit dem 85er-Jahr haben wir allerdings Grundstücke rechtzeitig angekauft, dadurch haben wir wirklich noch viele Seegründe und Parks direkt am Ufer. Insgesamt verfügt Krumpendorf über vier öffentliche Bäder, da kann man sich bei uns nicht beschweren.“  

Parkbad Krumpendorf
Krumpendorf verfügt über vier öffentlich zugängliche Strandbäder, wie das Parkbad. Foto / CC BY-SA 4.0 /Johann Jaritz 

Auch sonst steht Krumpendorf mit den Gemeindeeinrichtungen sehr gut da. Das muss es auch, denn die Bevölkerung hat hohe Ansprüche. Gaggl: „Wir haben einen Kindergarten, der ganzjährig geöffnet ist - auch in den Osterferien, den Weihnachtsferien und den Sommerferien.

Krumpendorf bietet eine Krabbelstube und eine neu ausgebaute Volksschule, die mit der Uni und dem Lakeside Park verbunden ist,  mit naturwissenschaftlichem Zweig und mit einem sprachlichen.“ 

Wer sich noch an das Gemeindeporträt von Winklarn erinnert, weiß, dass die unmittelbare Nachbarschaft zu einer größeren Stadt dem Gemeindeleben abträglich sein kann. Ist das auch in Krumpendorf so?

„Ja, das ist ganz logisch“, konstatiert Gaggl, „deswegen trachten wir auch so sehr danach, dass die Kinder direkt hier bei uns immer gut versorgt sind. Da werden nämlich die ganzen Sozialkontakte geknüpft. Aber natürlich, bei der arbeitenden Bevölkerung pendeln quasi alle nach Klagenfurt aus. Darum werden wir ja auch ganz gerne als das Schlafzimmer von Klagenfurt bezeichnet. Ob das die Primarärzte oder die Ärzte vom Krankenhaus sind oder Universitätsprofessoren: Krumpendorf ist der nächste Ort, mit der besten Infrastruktur und die beste Gelegenheit, schön zu wohnen.

Ich bin 1996 das erste Mal gefragt worden, wie ich mir die Zukunft von Krumpendorf vorstelle. Ich hab kurz nachgedacht und gesagt: exklusiv wohnen, arbeiten und Urlaub machen in Krumpendorf am Wörthersee! Und so ist es auch gekommen. Durch den Zuzug haben wir viele innovative Menschen im Ort. Das macht echt Spaß, denn sie bereichern Krumpendorf, ob kulturell, in der Zusammenarbeit mit der Kirche oder bei den Klimabündnis-Projekten. Sie machen Konzerte und initiieren Veranstaltungen.“
 

Platzmangel und Grundstückspreise sind Bremsen für die Wirtschaft

Doch der stetige Wandel zum reinen Wohnort bringt auch Probleme mit sich. Zum Beispiel im Tourismus.

Die Fremdenbetten sind weniger geworden, weil es keine Privatvermieter mehr gibt, „und große Hotels haben wir nie gehabt. Jetzt schauen wir, dass wir die paar Hotels die wir haben, halten, und das funktioniert ganz gut.“

Der Platzmangel und die Grundstückspreise sind auch eine große Bremsen für die Wirtschaft. „Es ist bald alles zugebaut. Wir sind zwar nicht Kitzbühel oder Seefeld – das kann man nicht vergleichen – aber im Zentrum gibt’s auch bei uns Menschen, die sagen, wir wollen nicht zubetoniert werden. Wir haben daher Teilbebauungspläne gemacht, und das Zentrum kann ja auch verbaut werden, nur wenn man sich Luftaufnahmen anschaut, ist bald alles ,Zentrum‘. Wir werden immer als reiche Gemeinde angesehen, aber in Wirklichkeit brechen die Betriebe, hauptsächlich im Tourismus, weg. 

Wir bräuchten dringend Ansiedlungen, doch wir haben keinen Platz. Und selbst wenn doch – keine aufstrebende junge Firma kann und will soviel Geld für einen Grund ausgeben. Das ist ein Thema, über das wir nicht hinwegkommen werden
“, erzählt Gaggl. 

Zwei Tage Zeit für 250 Flüchtlinge

Doch auch mit Krisensituationen kann Gaggl dank ihrer Gastronomieerfahrung gut umgehen. Zum Beispiel während der Flüchtlingskrise, als sie knapp zwei Tage Zeit hatte, um die Unterbringung von 250 Flüchtlingen zu organisieren. 

In Gaggls erster Amtszeit wurde sehr viel investiert, „damit wir das Niveau der anspruchsvollen Bewohner halten können: ein Feurerwehrhaus und eine Bahnunterführung wurden gebaut, und kürzlich erst das Bad um eineinhalb Millionen. Die Schule wurde ausgebaut und als nächstes wäre der Kindergarten an der Reihe.“   

Stolz auf Feuerwehr und Theater

Besonders stolz ist Krumpendorf auf seine Feuerwehr. Diese ist durch Autobahn und See häufig gefragt und dementsprechend gut ausgestattet. International bekannt ist sie unter Feuerwehrleuten für die zweijährliche Sternfahrt, die abwechselnd immer in einem andern Land Europas stattfindet, und die in Krumpendorf ins Leben gerufen wurde.

Ein voller Erfolg ist auch das Theaterprojekt für Jugendliche - eine Idee Gaggls. Mittlerweile hat sich das Projekt verselbständigt und die Jugendlichen haben die Theathergruppe KULT gegründet.

Sternfahrt der Krumpendorfer Feuerwehr
Die zweijährlich stattfindende Feuerwehr-Sternfahrt hat ihre Gründerin, die FF Krumpendorf, zu einer der bekanntesten Feuerwehren in Europa gemacht.

Zur Person

Hilde Gaggl 

Geburtsjahr: 1950

Gemeinde: Krumpendorf am Wörthersee

Einwohnerzahl: 3.418 (1. Jänner 2019)

Bürgermeisterin seit: 2002 (mit Unterbrechung)

Partei: ÖVP