Asylwerber
Asylwerber arbeiten in der Gemeinde mit.

Gesundheitsförderung für alle in einer Gemeinde Lebenden

6. August 2018
„FlüGGe sein für sozialen Frieden“ ist ein niederschwelliges Gesundheitsförderungsprojekt, finanziert vom Bundesministerium für Inneres und dem Fonds Gesundes Österreich.

Das Startsignal für das Modellprojekt FlüGGe – „Flüchtlinge in Gesellschaften und Gemeinden“ fiel schon im Februar 2016. Damamls wurde in drei sehr unterschiedlichen Partnergemeinden begonnen, bedarf- und bedürfnisorientiert Partizipationsprozesse (Bürgerbeteiligungsprozesse) einzuleiten und zu begleiten. 

Chancengerechtigkeit für alle

Soziale Beziehungen bestimmen unser Leben. Sie bestimmen, wie wir uns fühlen, ob wir glücklich und motiviert sind oder ob wir uns elend, hilflos, an den Rand gedrängt fühlen. Dies gilt für alle Menschen, auch die, die in unserer Gesellschaft benachteiligt sind.

Kurz gesagt: Gemeinschaft, Gesundheit und Glück gehören zusammen und führen unweigerlich zu sozialem Frieden! Daher ist Chancengerechtigkeit für alle in einer Gesellschaft – in einer Gemeinde – lebenden Menschen ein Hauptanliegen von FlüGGe.

Polarisierung in der Flüchtlingsfrage führte zu Konflikten

Die steigende Anzahl von Asylwerbenden in Europa führte 2015 auch in Österreich zunehmend zu einer großen Verunsicherung. Sowohl die Asylwerbenden als auch die einheimische Bevölkerung und die Gemeinde-Verantwortlichen befanden sich in einer Situation, die den einzelnen Menschen ein Gefühl von Ohnmacht bzw. des Ausgeliefertseins vermittelte.

Die Asylwerbenden standen vor der großen Herausforderung, sich in der Aufnahmegesellschaft zurechtzufinden und zu integrieren. Erschwert wurde das durch die häufig aufgeladene Situation vor Ort in den Unterbringungsgemeinden. Die Gemeinden fanden sich in einem Spannungsfeld von ehrenamtlich, sozial Engagierten einerseits und andererseits Bürgerinnen und Bürgern wieder, die den unbekannten Herausforderungen mit zunehmender Sorge begegneten. Solch ein Spannungsfeld kann schnell zu einer Polarisierung und zu einem gesteigerten Konfliktpotenzial innerhalb der Gesellschaft führen.

„Transparenz schaffen, Teilhabe ermöglichen, Orientierung bieten“

Um ein gutes Zusammenleben in einer Gemeinde zu ermöglichen, sind nachhaltige Initiativen und langfristig etablierte Prozesse und Strukturen erforderlich, die alle Bevölkerungsgruppen mit einbinden und ihre Bedürfnisse berücksichtigen, denn nur aufgrund von „Transparenz schaffen, Teilhabe ermöglichen, Orientierung bieten“ ist ein friedliches Zusammenleben von Zivilgesellschaft und Schutzsuchenden, sowie beeinträchtigen oder sozialschwachen Menschen möglich. Dies wiederum führt zu sozialem Frieden und sozialer Gesundheit.

Lösungen für sozialen Zusammenhalt

Gemeinsam mit den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in den Gemeinden, den Asylwerbenden und der breiten Bevölkerung hat FlüGGe Lösungen entwickelt und umgesetzt, die den sozialen Zusammenhalt stärken und die Handlungsfähigkeit jeder/s Einzelnen fördert.

Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sollte so durch ein positives Umfeld nicht nur das körperliche, sondern vor allem das seelische und soziale Wohlbefinden aller gestärkt und die Konfliktbereitschaft abgebaut werden. Was auch gelungen ist. 

Schwerpunkte in den drei Partner-Gemeinden

Dies erfolgte mit Unterstützung und Begleitung von drei sehr unterschiedlichen Partner-Gemeinden in drei Bundesländern (Kärnten, Steiermark, Burgenland). Der Fokus der zweieinhalb Jahre dauernden Prozessarbeit in diesen Partner-Gemeinden lag einerseits auf der Ebene der Rahmenbedingungen (Strukturen, Vernetzung etc.) und andererseits auf der Verhaltensebene des/der Einzelnen (Bedürfnisse der Asylsuchenden und der Aufnahmegesellschaft ernst nehmen).

Somit konnten Strategien entwickelt werden, die aus dem Blickwinkel der Erhaltung von Gesundheit und von Wohlbefinden (Salutogenese) das Verständnis und die Bereitschaft zur Umsetzung von gesundheitsrelevanten Maßnahmen fördern.

Community Learning fördern

Die Arbeit der Zukunft wird von neuen Formen des Dialogs und der Qualität von Beziehungen geprägt sein. Dafür braucht es, um der Individualisierung der Menschen entgegenzuwirken, die Förderung von Community Learning und Development.

Projektleiterin Susi Khalil hat erkannt, dass dieser Ansatz ein wichtiger in der Gesundheitsförderung ist und hat dafür das Projekt FlüGGe konzipiert. „Denn Gesundheitsförderung ist vor allem eine Haltung und geht weit über die Definition von Handlungsfeldern und Handlungsstrategien hinaus", so Susi Khalil.

Community Learning reagiert auf die vielfach schwierigen Rahmenbedingungen im kommunalen Raum und versucht durch das Fördern der individuellen Teilhabe an diversen Projekten das Zusammenleben in den Gemeinden bewusster zu gestalten. Dieses Konzept verbindet die Bedürfnisse der ländlichen Regionen, der Gemeinden mit den strategischen Zielen aus dem Bericht des Migrationsrates 2017 (BM.I 2017), ebenso auch mit den nationalen Qualifikationsrahmen zu Lebenslangen Lernen und vor allem mit Aspekten der Gesundheitsförderung.

Flüchtlinge treten mit Einheimischen in Kontakt

Ein guter sozialer Zusammenhalt und die Interaktion mit den Mitmenschen im Umfeld sind wesentlich für eine gelungene Integration und ein konfliktfreies Miteinander. Durch das Projekt FlüGGe wird es Asylwerbenden erleichtert, in tiefgreifenden Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung zu treten. Die Asylwerbenden nehmen an einem gemeinsamen, partizipativen Prozess mit anderen Bevölkerungsgruppen teil. So können sie einerseits ihr neues Umfeld besser begreifen und mitgestalten und gleichzeitig Essentielles über das Zusammenleben in Osterreich („Spielregeln", Werte, Normen etc.) und konkret über die Gemeinde, in der sie untergebracht sind, erfahren.

Ängste und Konflikte abbauen

Für Alle sollten sich auf Basis dieser Herangehensweise neue Handlungsspielräume eröffnen sowie Ängste und Konflikte abgebaut werden. FlüGGe will damit dem Auseinanderklaffen der sozioökonomischen und der soziokulturellen Schere in der Gesellschaft entgegenwirken.

Der Nutzen für Asylwerberinnen und -werber generiert sich über das gemeinsame Tun: im Vertrauensaufbau, dem Kennenlernen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, sowie dem Erlangen des notwendigen Respekts durch Alltagshandlungen und dem Herstellen von „Normalität“ über Maßnahmen wie gemeinsames Backen, Malworkshops, Feste uvm. und wird daher sehr niederschwellig angesetzt.

Malworkshop
Gemeinsames Tun – wie hier in einem Malworkshop – hilft, Vertrauen aufzubauen.

Sensibilisierung für Gesundheitsförderung im ländlichen Raum

FlüGGe möchte mit seinem Wirken nachhaltig Sensibilisierung für Gesundheitsförderung im ländlichen Raum implementieren, was jedoch nur dann gelingen kann, wenn eine Vertrauensbasis geschaffen ist und vonseiten der kommunalen Entscheidungsträger auch die Bereitschaft, solch ein Projekt umzusetzen, vorhanden ist.

Gelebte Partizipation der Bevölkerung bedeutet für eine Gemeinde echte Rahmenbedingung zu verankern, welche für das Empowerment von Menschen und Gruppen notwendig sind. Die vorhandenen Kompetenzen der Gemeindeverantwortlichen und Stakeholder sind dahingehend zu schulen und zu coachen, die das Erkennen von Bedarf und Bedürfnis der Bevölkerung möglich macht auch, wenn eine Gemeinde wie zurzeit mit vielen Problemen konfrontiert ist.

Die ständig sinkenden Geburtszahlen haben Einfluss auf Immobilienmarkt, Infrastruktur, Geldmittel, Arbeitsmarkt und Wirtschaft, wodurch sich die finanziellen Ressourcen und die Handlungsspielräume der Gemeinden gravierend verändert haben. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die Rolle des Tourismus, infrastrukturelle Ressourcen, sowie Bevölkerungsentwicklung und bestehende soziale Netzwerke haben somit Auswirkungen auf die Resilienz der Gemeinden. 

Ängste sind schlecht für die Gesundheitsentwicklung

Regionale Gegebenheiten und die bestehenden politischen Rahmenbedingungen (gesetzlich, strukturell, organisatorisch) können die Situation, sowohl für Schutzsuchende, aber auch für die heimische Bevölkerung so erschweren, dass das Abbauen von Ängsten verhindert und damit einhergehend einen konstruktiven, konsensualen Dialog nicht zustande kommen lässt, was nachweislich Faktoren für eine negative Gesundheitsentwicklung sind.

Wir kennen die Zukunft nicht. Aber es ist möglich sich darauf vorzubereiten und damit mehr Sicherheit für sozialen Frieden und Handlungskompetenz zu erlangen. Dafür braucht es jedoch den Blick auf die heutige Gesellschaft, um verstehen zu können, was sie braucht, um das Sozialkapital, also das WIR-Gefühl, unserer Gesellschaft zu stärken und in weiterer Folge gesund zu bleiben. Dies bedeutet aufrichtiges hinsehen, manchmal schmerzliches reflektieren, Respektaufbau, Vertrauensaufbau, Offenheit, Zuhören lernen und einen Paradigmenwechsel im kulturellen Denken, sowie das Annehmen einer Haltung einer/s ständig Lernenden und die Beobachtung des eigenen Denkens und Handels.

Das FlüGGe Projektteam konnte Erkenntnisse gewinnen, die allen in der Gemeinde lebenden Menschen zugutekommen. Es hat dabei erkannt, dass Gesundheitsförderung sich nicht auf Zahnprophylaxe, Apfelessen und Walkingeinheiten beschränkt, sondern einen neuen Rahmen benötigt.

In diesem Sinne: Um gesund zu sein, brauchen WIR uns ALLE!

www.projekt-fluegge.at/