Bürgermeister Artner
Christoph Artner: "Wenn ich gestalten will, dann muss ich mich auch irgendwo engagieren.“

"Es darf durchaus ein bissl härter zugehen“

Zwischen St. Pölten und Traismauer und somit direkt an der Traisen liegt Herzogenburg. „Die Stadt wird zum einen durch das Augustiner-Chorherrenstift dominiert, und zum anderen durch die lokale Industrie. Einerseits praktisch an der Grenze zur Landeshauptstadt, ist die Gemeinde andererseits auch sehr kleinstrukturiert. Während der Stadtkern eine urbane Bebauung aufweist, herrschen in den Katastralgemeinden mit ihren regionstypischen Heurigen dörfliche Strukturen.“

So beschreibt Christoph Artner seine Heimatgemeinde, deren Geschicke er seit Mitte November als Bürgermeister lenkt. Obwohl er zum Zeitpunkt seiner Wahl erst 32 Jahre alt ist, hat er in der Gemeindepolitik schon einiges an Erfahrung sammeln können. Acht Jahre lang saß er bereits im Gemeinderat, sechs davon als Vizebürgermeister.  

Vom Ministranten zur SPÖ

Nicht nur bei der Freiwilligen Feuerwehr  bringt sich Artner seit langem ein. Der frühere Ministrant zeigt sich auch in der Pfarre seines Wohnortes St. Andrä an der Traisen äußerst aktiv. Des weiteren engagierte sich der gläubige Katholik bereits in jungen Jahren bei der Partei.

Bei der SPÖ, wohlgemerkt. Nun ist das vermutlich nicht jene Partei, auf die man zuerst getippt hätte, doch für Artner sind die Gemeinsamkeiten klar: „Vom sozialen Gesichtspunkt her ist die christliche Soziallehre nicht so weit von den Grundprinzipien und Grundwerten der Sozialdemokratie entfernt.“

Die Affinität zur SPÖ hat zudem auch einen familiären Hintergrund. Als der Großvater nicht aus dem Krieg zurück kam und die Großmutter bei einem Unfall eine Hand verlor, war die Sozialdemokratie jene Bewegung, mit deren Hilfe sie damals letztendlich über die Runden kam.

In Artners Heimatort St. Andrä kennt man sich, und so war auch für ihn bald der Bezug zur Partei gegeben. „Wenn man engagiert ist, hat man schnell mit vielen Leuten Kontakt, und wenn ich schon auf einer Veranstaltung bin, dann kann ich da auch mithelfen. Und schließlich kann ich unter dem Jahr auch etwas mittun. So habe ich meine ,Karriere‘ gestartet - vom kleinen Markerlkassier, der mit den Mitgliedern zusammenkommt und über die Dinge, die die Leute persönlich betreffen und bewegen, reden kann, bis zum Gemeinderat.“

Freude am Engagement

Die Freude daran, etwas bewegen zu können ist Artners Triebfeder: „Wenn mich etwas stört oder ich mit irgendetwas nicht zufrieden bin, dann ist es gescheiter ich gestalte es mit, als ich rege mich nur darüber auf. Das gilt aber nicht nur im negativen Konnex. Wenn ich gestalten will, dann muss ich mich auch irgendwo engagieren.“

Ab 2010, als zwei ältere Gemeinderäte ihre Mandate zurücklegten um Jüngeren Platz zu machen,  engagierte sich Christoph Artner auch in dieser Funktion und sammelte kommunalpolitische Erfahrungen: „Ich war erst sehr kurz Vizebürgermeister und habe für einen Gemeindebürger im besten Wissen und Gewissen eine Angelegenheit erledigen wollen. Doch allen Menschen recht getan ist bekanntlich eine Kunst, und was für den einen das Optimale war, ist dem Nachbarn sehr sauer aufgestoßen. Manches, das  auf den ersten Blick klar und einfach erscheint, benötigt, wenn man alle Aspekte betrachtet, zwei oder drei Handgriffe mehr an Arbeit, damit ein Ergebnis herauskommt, mit dem zwar nicht alle, aber ein Großteil, leben kann.“

Schwierige Personalentscheidung

Seine schwierigste Entscheidung war für Artner eine Personalentscheidung: „Wir hatten einen Mitarbeiter mit einem Suchtproblem. Den haben wir nach Kräften unterstützt, ihm eine Therapie ermöglicht, und nach deren Abschluss auch seinen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben. Zwar nicht nach dem ersten Rückfall, doch irgendwann mussten wir uns zu dem Entschluss durchringen, uns von dem Mitarbeiter zu trennen. Das war definitiv die schwierigste Entscheidung, denn wenn man zusammen arbeitet, eine persönliche Bindung hat und sich freundschaftlich begegnet, denjenigen mehr oder weniger vor die Tür setzen zu müssen, ist hart. Was ich dem Herrn hoch anrechne: Wenn wir uns jetzt sehen, grüßen wir uns freundlich. Wir reden – nicht über alles –, aber es ist zumindest ein Kontakt auf Augenhöhe, trotz der Vorfälle.“

Politikwissenschaftler und Zahlenmensch

Artner lernte den politischen Alltag eines Entscheiders, und bald zog es ihn wieder zu jenem Bereich, der es ihm schon sein ganzes Leben angetan hatte: zur Zahlenmaterie. Das war schon in der HAK so.

Nach seinem Magisterstudium der Politikwissenschaft arbeitet er heute Teilzeit in einem Planungsbüro für erneuerbare Energien und auch hier ist er für Förderabrechnungen und Fakturierung zuständig.

Ebenso hat Artner bei der Feuerwehr die Verwaltungsebene eingeschlagen und kam schnell mit den Finanzen in Berührung.

„Eine gewisse Affinität für den Bereich ist sicherlich da. Das Finanzielle ist die Grundlage, auf der alle weiteren Entscheidungen basieren müssen. Ich kann wunderbare Ideen haben und den richtigen Willen, diese umzusetzen, aber wenn mir der notwendige Spielraum zwischen Daumen und Zeigefinger fehlt, dann wird alles eine hehrer Wunsch bleiben.“

Es verwundert nicht, dass Artner nach den Schul-Agenden auch Obmann des Referats für Bauhof, Personal und Finanzen wurde. Als Bürgermeister sitzt er keinem Ausschuss mehr vor, sondern setzt Prioritäten für die dringendsten Anliegen der Gemeinde – und das sind nicht die üblichen.

Blick auf Herzogenburg
Blick über Herzogenburg mit dem Augustiner-Chorherrenstift im Zentrum.

Breitbandausbau ist fast abgeschlossen

Der Breitbandausbau zum Beispiel ist in Herzogenburg kein wirkliches Thema mehr. Zu 14 Accesspoints in der Gemeinde wurden von A1 Glasfaserkabel verlegt. „Somit ist das bei uns glücklicherweise zum Großteil realisiert, ohne dass wir als Gemeinde großartig investieren mussten“, freut sich Artner. Messungen  bestätigten Herzogenburg kürzlich die besten Internetverbindungen im Bezirk St. Pölten-Land. „Flächendeckend haben wir es nicht ganz, denn es gibt eine Katastralgemeinde, die etwas abgelegen liegt. Aber dort ist zumindest ein Sendemast in Planung, der 2020/21 in Betrieb gehen wird.“

Migrationsprojekt im Kindergarten

Migration bzw. Integration ist, wie vielerorts, ein Dauerthema – speziell bei Wohnen und Bildung–  aber ebenfalls kein akutes Problem. Ein Projekt im Kindergartenbereich soll auf niederschwellige Weise auch die Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund mit ins Boot holen. Mit dem islamischen Kulturverein in der Gemeinde besteht  eine gute Zusammenarbeit.

„Mit der Community kann man in Kontakt treten, nur mit denen, die weniger organsiert sind, funktioniert das leider noch nicht so gut. Da ist sehr oft der Rückzug in die eigenen vier Wände und die Abkapselung vom Rest gegeben“, erklärt Artner.

Herausforderung Wohnbau

Vorrangige Anliegen bestehen in Herzogenburg in erster Linie bei Bauvorhaben. Zum einen im Wohnbau. Viele Anfragen nach Baugründen und Mietwohnungen erreichen die Gemeindeleitung. Solche in ausreichender Zahl und in leistbarem Rahmen zur Verfügung zu stellen ist eine Herausforderung. Aktuell werden drei Projekte mit unterschiedlichen Wohnbaugenossenschaften  umgesetzt, durch die 164, 22 bzw. 14 Wohnungen entstehen.

Zum anderen entsprechen die zwei größeren Feuerwehrhäuser nicht mehr dem Stand der Zeit und müssten modernisiert werden. Ähnliches gilt für den Bauhof: „Mittlerweile haben wir drei Standorte, und das ist für den internen Arbeitsablauf alles andere als optimal. Materialien und Werkzeuge müssen ständig aus unterschiedlichen Ortschaften geholt werden, bevor man endlich an die Arbeit gehen kann“, so Artner. Daher ist eine Zusammenfassung der Standorte an einem Platz geplant.

Vorbereitung auf den Klimawandel

Der Klimawandel drängt die Gemeinde zudem zu einem weiteren Bauvorhaben.

„Wir sind zwar in der glücklichen Situation, dass wir von Hochwassern verschont sind, doch vor allem die Starkregenereignisse, die es heuer im Sommer gab, führten dazu, dass wir gebietsweise massive Abschwemmungen hatten. Wir müssen Schutzmaßnahmen gegen die Wassermassen errichten, doch das wird nicht das klassische Regenrückhaltebecken werden, denn wir reden da von einer Menge, die in keiner Relation mehr stünde. Das Becken wäre eine tote und verlorene Fläche, die einer immensen Pflege bedürfe. Nach derzeitigem Planungsstand beabsichtigen wir stattdessen, unter Einbeziehung der örtlichen Topographie Wälle zu schütten und das Wasser derart umzulenken, dass dadurch gewisse Ackerflächen als Retentionsbereich preisgegeben werden. Derjenige, der diese bewirtschaftet, wird natürlich entschädigt. Es ist jedenfalls besser, es geht eine Fruchtfolge nieder, als dass das Wasser in jedem Haus steht“, erklärt Artner.

Junges Trio am Ruder

Mit der Kür des 32-jährigen Christoph Artner bekam Herzogenburg auch einen neuen Vizebürgermeister (28 Jahre alt) und einen neuen Stadtrat für Kultur, Jugend und Integration (29 Jahre alt). Artner sieht darin Vorteile: „Man ist doch immer wieder mit eingefahrenen Strukturen konfrontiert und ein Junger hat da eher den Willen und das Bedürfnis diese eingefahrenen Strukturen zu ändern. Dieser gemeinsame Wille, etwas zu verändern, ist eine unheimliche Triebfeder. Nichtsdestotrotz möchte ich auf die Erfahrung einiger Mitarbeiter, Funktionäre und Ausgeschiedener nicht verzichten müssen. Das sind Erfahrungen und Kontakte, die unheimlich viel Wert haben.“ 

Über alles reden

Und wie hält es Artner mit der politischen Kultur in Herzogenburg? „Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man mit jedem über alles reden können sollte. Da darf es auch durchaus ein bissl härter zugehen. Doch beim Auseinandergehen sollte man sich immer noch in die Augen schauen und die Hand geben können. So ist es bis dato gegangen und so soll es auch weiterhin möglich sein – egal, welches Parteimascherl man umgehängt hat. Am Ende des Tages müssen wir uns in den Spiegel schauen können und sagen: Das haben wir für Herzogenburg bewegt!“

Christoph Artner

Alter: 33

Gemeinde: Herzogenburg

Einwohnerzahl: 7.771 (1. Jänner 2018)

Bürgermeister seit: 19. November 2018

Partei: SPÖ